27 - Im Lande des Mahdi I
Wadi und den Brunnen gar nicht kennen und nur ganz zufällig hier vorüberkommen. Wir müssen warten, ob sie bleiben oder weiterreiten.“
Jetzt hatten die drei den jenseitigen Rand des Wadi erreicht und ritten an einer dazu geeigneten Stelle in dasselbe hinab. Ich konnte von meinem Standpunkt aus nicht in die Tiefe sehen und wartete ungefähr fünf Minuten. Als sie da noch nicht diesseits erschienen waren, konnte ich annehmen, daß sie unten abgestiegen waren, um zu lagern. Ich gab also dem Posten den Befehl, ferner scharf aufzupassen, ohne sich aber sehen zu lassen, und stieg mit dem Lieutenant von der Höhe hinab; er war oben überflüssig und konnte lieber aufmerken, daß seine Leute keine Dummheiten begingen. Von da aus verließ ich unseren Schlupfwinkel und begab mich nach dem Ufer des Wadi, und zwar an diejenige Stelle, welche oberhalb des Brunnenfelsens lag. Ich hatte dem zuverlässigen Ben Nil gewinkt, mir zu folgen, und gebot ihm jetzt:
„Setze dich hier nieder und warte! Sobald du einen scharfen Pfiff von mir hörst, springst du schnell in unser Lager und holst einige bewaffnete Männer, mit denen du eiligst hinab zum Brunnen kommst. Ich bedarf dann eurer.“
„Du begibst dich schon wieder in Gefahr, Effendi“, meinte er. „Nimm mich doch lieber mit!“
„Nein; ich bin allein viel sicherer als in Begleitung anderer; aber wenn ich pfeife, mußt du dich beeilen.“
„Wäre es da nicht besser, die Leute gleich jetzt zu holen und hier mit ihnen zu warten? Wir sind dann schneller bei dir, als wenn ich sie erst holen muß.“
„Sehr wahr. Aber sorge dafür, daß sie sich ruhig verhalten!“
Er ging zurück, und ich stieg an dem Felsen nieder. Ich hatte kein Gewehr mit, da die Revolver mir genug Sicherheit gaben. Ich mußte sehr vorsichtig sein, denn es war heller Tag, und ich konnte sehr leicht gesehen werden. Auch durfte ich kein Steinchen ins Rollen bringen.
Die oberen Felsenabsätze waren so niedrig, daß ich leicht von einem auf den nächst unteren gelangen konnte. Als ich den halben Weg zurückgelegt hatte, hörte ich unter mir Stimmen. Die Sprechenden befanden sich bei dem Brunnen, ganz nahe am Felsen, und konnten mich also nicht sehen. Ich hätte nur dann bemerkt werden können, wenn sie weiter hinüber nach der Mitte des Wadi gegangen wären.
So gelangte ich unbemerkt auf der untersten Felsenstufe an, welche, wie bereits vermerkt, ungefähr doppelte Mannshöhe hatte. Dort legte ich mich nieder und schob mich so weit vor, daß mein Gesicht gleich mit der Kante lag. Ich sah vorsichtig hinab. Die Kamele lagen mit gefesselten Beinen in der Nähe, und die drei Männer knieten an der Erde, um den Brunnen auszugraben. Ich hörte, was sie sprachen.
„Weißt du auch wirklich gewiß, daß es hier Wasser gibt?“ fragte der fremde Beduine, den ich für einen Scheik gehalten hatte.
„Ganz gewiß“, antwortete Abd el Barak. „Ich bin heute nicht zum erstenmal hier. Aus diesem verborgenen Wasserloch kann man in der jetzigen Jahreszeit wohl sieben oder acht Schläuche füllen.“
„Allah gebe es, denn wir haben keinen einzigen Schluck mehr!“
„Habe keine Sorge! Du wirst trinken, so viel du willst, und deine Kamele werden auch bekommen. Und selbst wenn es hier kein Wasser gäbe, bedürfte es nur eines Tagrittes, um den Bir Murat zu erreichen. Verdursten kannst du also nicht!“
„Verdursten oder getötet werden, eins von beiden; ich hätte die Wahl. Ihr wißt ja, daß der Bir Murat zu den Ababdehs, den Feinden meines Stammes, gehört. Es ist eine Rache zwischen uns, und ich als Scheik des Monassirstammes müßte sterben; sie würden mir nicht erlauben, mich durch Zahlung des Blutpreises loszukaufen.“
Also dieser Scheik war der Anführer der Monassir, welche später im Mahdikrieg den Adjutanten Gordons, den Obersten Stewart, ermordeten und aus Strafe dafür dann von General Earle überfallen werden sollten. Die Monassir sind ritterlich gesinnte, kriegerische Leute, welche auch heute noch ihre Unabhängigkeit mit größter Eifersucht bewachen. Sie zeigen ihren Haß offen und ehrlich, und sind mir infolgedessen sympathischer als jene Stämme, welche sich kriechend unterwerfen und später hinter dem Rücken des Siegers Heimtücke üben.
Die drei gruben sehr fleißig weiter. Sie hatten leichte Arbeit, da wir vor ihnen den Boden gelockert hatten; das fiel ihnen aber nicht auf. Endlich erreichten sie die Platte und schoben sie zur Seite. Ein dreifacher Ausruf der Enttäuschung war zu
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