27 - Im Lande des Mahdi I
macht gewiß keinen Umweg und hält sicher gerade auf den Brunnen zu. Da wir uns nun rechts von ihrer Richtung befinden, müssen wir uns nach links wenden. Das ist doch klar.“
„Aber wenn du dich irrst, Effendi?“ meinte der Lieutenant.
„So ist es noch immer Zeit, rechts zu gehen. Ich denke aber, daß ich richtig vermute.“
Wir folgten also dem Tal nach Nordwest, und schon nach einer halben Stunde ergab es sich, daß ich recht gehabt hatte. Wir sahen an einem Felsen, welcher stufenähnlich zur Höhe stieg, die erwähnten dürren, zweiglosen Gaziah-Bäume stehen. Wir hielten bei denselben an. Die unterste Stufe des Felsens hatte die doppelte Höhe eines Mannes, und da die andern, welche sich übrigens sehr unregelmäßig übereinander bauten, viel weniger hoch waren, so konnte man, wenn man einmal auf ihr stand, unschwer zur Höhe gelangen, das heißt, zum andern Ufer als demjenigen, von welchem wir gekommen waren. Ich muß das erwähnen, damit das später Folgende leichter erklärlich wird. Die unterste, höchste Stufe stand so weit vor, daß jemand, der auf derselben nicht stand, sondern lag, von den Gaziahstümpfen aus nicht gesehen werden konnte.
Also diese Gaziah-Bäume hatten wir gefunden; wo aber war das Wasser? Es sollte im Felsen ein Loch geben, welches jetzt natürlich verschüttet war. Wir untersuchen mit unseren Blicken die ganze Umgebung, doch vergebens. Der Boden ließ nicht die mindeste Feuchtigkeit erkennen, und es war auch keine Spur einer künstlichen Aufschüttung oder Ausfüllung zu sehen. Da mußte ich mich wieder an mein Kamel wenden. Es lag bei den andern. Ich holte es herbei; es senkte den Kopf, blies die Nüstern auf und begann, mit dem Vorderhuf neben den Bäumen im Boden zu wühlen. Die Stelle lag hart am Felsen. Es wurde wieder weggeführt, und wir gruben nach. Schon in einer Tiefe von drei Fuß stießen wir auf eine Steinplatte. Ihr Durchmesser war so groß, daß wir wohl eine Viertelstunde brauchten, um sie freizumachen. Als sie entfernt worden war, standen wir vor einem Loch, welches bis herauf an den Rand mit hellem, kühlem Wasser gefüllt war. Ich kostete es und fand, daß es bedeutend besser als dasjenige des Bir Murat schmeckte. Es hatte keinen Natrongehalt. Aus diesem Grund wurde es für uns bestimmt, während die Kamele das in den Schläuchen befindliche bekommen sollten. Wir hatten einige geleerte Schläuche und konnten sechs derselben füllen, bevor das Loch so weit ausgeschöpft war, daß der Bodensatz trüb wurde.
Nun hatten wir gutes Wasser, eine Hauptsache in der Wüste, und uns mußte dies doppelt willkommen sein, da wir dadurch der Sklavenkarawane gegenüber eine größere Überlegenheit erlangten.
„Was tun wir nun?“ fragte der Leutnant. „Du meinst, daß die Sklavenjäger noch heute kommen?“
„Sie kommen gewiß“, antwortete ich.
„Und willst du sie hier erwarten?“
„Das kann mir nicht einfallen. Kommt die Karawane droben am Ufer an und wir befinden uns hier unten, so können uns diese Kerle mit größter Leichtigkeit wegschießen, ohne daß uns eine fruchtbare Gegenwehr möglich ist. Nein, wir müssen das Verhältnis umkehren. Wir steigen hinauf, und unsere Gegner müssen herab. Wir verstecken uns hinter eine Höhe des nördlichen Ufers. Vorher decken wir den Brunnen wieder zu. Haben sie sich dann hier unten gelagert, so greifen wir sie von zwei Seiten an. Sie haben dann vor sich und hinter sich die Felsen, rechts und links uns und müssen uns in die Hände fallen.“
„Das ist sehr richtig. Wann steigen wir hinauf?“
„Je eher, desto besser. Wir haben hier nichts mehr zu suchen, und so ist es geraten, uns so bald wie möglich zu entfernen. Man weiß nicht, was geschehen kann. Es ist möglich, daß sie wieder einige Reiter voranschicken, und wir dürfen von denselben auf keinen Fall gesehen werden. Deckt also den Brunnen wieder zu, aber so, daß man nicht sehen kann, daß jemand hier gewesen ist; ich werde inzwischen auf- und abwärts je eine Stelle suchen, an welcher wir vom hohen Ufer zum Angriff leicht herabgelangen können!“
Erfreulicherweise gab es zwei solche Stellen in der Nähe. Die eine lag ungefähr tausend Schritte auf- und die andere fast ebensoweit abwärts vom Brunnen. Wenn wir uns heute abend teilten und an diesen beiden Punkten herniederstiegen, mußten wir die lagernde Karawane zwischen uns bekommen.
Zum Wasserloch zurückgekehrt, fand ich dasselbe verschüttet und ebnete den Boden selbst, um ganz sicher zu sein,
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