27 - Im Lande des Mahdi I
belästigen. Ich werde morgen die Stadt verlassen.“
„Die Stadt, also mich verlassen? Also auch mich? Das kann ich nicht zugeben. Wir würden uns nicht wiedertreffen.“
„O doch. Ich benutze ein Nilboot oder ein kleines Segelboot, um mit den Kindern eine Strecke nilaufwärts zu fahren, und erwarte Sie dort, um, wenn Sie kommen, zu Ihnen an Bord zu steigen.“
„Kann ich mich darauf verlassen?“
„Gewiß; ich halte mein Wort. Ihr langer Selim mag noch heute hinab nach dem Hafen gehen, um sich zu erkundigen, wann ein Boot abgeht. Ich selbst mag mich heute nicht sehen lassen.“
„Und die Kinder wollen Sie mitnehmen?“
„Ja, denn ich hoffe, in Khartum Gelegenheit zu erhalten, sie zu den Dongiol schicken zu können. Ich habe mich ihrer einmal angenommen und will nicht bei dem Anfang stehenbleiben. Einen Schaden werden wir davon nicht haben; ich bin vielmehr überzeugt, daß wir an ihnen während der Fahrt sehr treue und aufmerksame Diener besitzen werden.“
„Das gebe ich zu und werde dafür sorgen, daß es ihnen unterwegs an nichts gebricht. Eigentlich aber bin ich auch noch jetzt der Ansicht, daß es besser gewesen wäre, wenn Sie sich gar nicht mit ihnen eingelassen hätten.“
Er sagte das in einer Weise, welcher ich entnahm, wie ernst gemeint es war. Er war einmal nicht Gegner der Sklaverei; ich konnte das nicht ändern.
Bald daraufkam der Neger, um uns mitzuteilen, daß die Herrin uns erwarte. Draußen stand die schwarze Dienerin, welche ich vom Zahnschmerz befreit hatte. Sie leuchtete uns die schmale Treppe empor und führte uns in ein Zimmer, welches vollständig leer und unmöbliert war. Nur ein kleiner Teppich war in der Mitte ausgebreitet. Nachdem die Dienerin dem Dicken die Lampe übergeben und sich entfernt hatte, trat eine tief verhüllte, weibliche Gestalt ein, Letafa, die Schwester meines Türken. Ihre Erscheinung harmonierte nicht im mindesten mit dem lieblichen Namen, den sie trug. Ich sah einen weißen Kleiderballen, aus welchem unten zwei kleine Pantoffeln hervorschauten. Der Knäuel bewegte sich langsam nach der Mitte des Zimmers und ließ sich, ohne einen Laut von sich zu geben, dort auf den Teppich nieder. Dann fuhr unter der dichten Hülle eine Hand nach oben, und da, wo ich der Notwendigkeit nach den Kopf vermutete, wurde der Zipfel eines Tuches ein klein wenig zurückgezogen.
„Jetzt!“ nickte mir Murad Nassyr zu. „Wollen Sie es sich ansehen?“
Er näherte sich der Gestalt, um zu leuchten, wendete aber das Gesicht seitwärts, damit sein Auge nicht auf den Flecken in der Zierde des Hauptes seiner Schwester fallen könne. Ich aber sah mir denselben genau an. Ja, es gab da mitten im starken, dichten Haar eine runde, ganz kahle Stelle, welche durch mikroskopische Pilze entstanden war.
„Werden Sie es heilen können?“ fragte Nassyr.
„Ich hoffe es. Wahrscheinlich wird die Zierde dieses Hauptes schon in einigen Wochen wieder erschienen sein.“
„Allah gebe es! Und ich werde es Ihnen danken. Wie heißt das Mittel, welches man anzuwenden hat?“
„Sie finden es hier in Kairo in jeder Apotheke. Man nennt es da El Müh el hamid, und für einen halben Piaster wird für die ganze Kur ausreichen. Man löst es in einer Flasche voll Wasser auf und betupft damit täglich einmal die kahle Stelle. Das Mittel hat schon vielen geholfen, ist aber bei einem vollständigen Kahlkopf freilich ohne Wirkung.“
Diese Worte erregten die Freude der Dame in der Weise, daß sie jetzt ihre Stimme vernehmen ließ:
„Meinen Dank; ich danke Ihnen!“ hörte ich sie leise sagen; dann erhob sie sich und verließ mit Bewegungen, welche die Bezeichnung elegant freilich nicht verdienten, das Zimmer.
Der verbeugungssüchtige Haushofmeister erhielt, als wir wieder nach unten kamen, den Befehl, da er nach dem Hafen mußte, das Mittel gleich mitzubringen, und einige Zeit später wurde uns das Abendessen aufgetragen. Es bestand aus einer großen Platte mit einem ellenhohen Berg von Fetten Pillaw und aus einer zweiten Platte mit Kebab, an Hölzern gebratene Fleischstückchen. Ich schätzte diese Bratenstücke auf gewiß sechs Pfund und dachte dabei der orientalischen Sitte, daß die Diener bekommen, was die Herren übriglassen. Das Ganze sah höchst appetitlich aus und war jedenfalls von den weißen Händchen Letafas, der ‚Liebenswürdigen‘, zubereitet worden. Das erhöhte meinen Appetit; ja, ich hatte beinahe Hunger, da mir vorher nur ein Hühnerbein zuteil geworden war. Man kann sich also
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