27 - Im Lande des Mahdi I
und war infolgedessen ebenso schnell mit zwei Flaschen fertig wie der Türke.
Dieser begann jetzt, an das heutige Erscheinen des Gespenstes zu denken, oder vielmehr an dessen Nichterscheinen; denn er war wirklich überzeugt, daß es sich durch die Anwesenheit eines Ungläubigen abschrecken lassen werde. Von ihm um eine Meinung befragt, erklärte ich:
„Auch ich glaube nicht, daß der Geist kommen wird, denn er fürchtet sich vor mir.“
„Fürchten? O nein! Ein Geist kennt keine Furcht. Er wird nicht kommen, weil Sie als Christ ihm für unrein gelten.“
„Dann rate ich ihm freilich, sich nicht an mir zu besudeln, denn ich würde ihn und sein Andenken so verunreinigen, daß sein Name für alle Moslemim zum Gelächter würde. Es könnte ihm niemals einfallen, wiederzukommen.“
„Sie scheinen wirklich keine Angst zu haben?“
„Nein. Ich habe mich schon, als ich ihn zum erstenmal sah, nicht vor ihm gefürchtet.“
„Wie? sie haben ihn bereits gesehen?“
„Ja. Wenigstens vermute ich es. Entweder er oder sein Obergespenst ist mir schon einmal hier in Kahira erschienen.“
„Allah! Und wann denn?“
„Davon später. Sie würden es mir doch nicht glauben.“
„Ich glaube es sofort. Er ist ja mir auch erschienen. Warum sollten ihn andere nicht ebenso gesehen haben?“
„Andere, ja, aber nicht ich, der ich ein Ungläubiger bin. Sie sind ja der Ansicht, daß er sich von mir fernhalten werde. Ein Ungläubiger bin ich nicht; kein Christ ist ein Giaur, denn unser Gott ist derselbe Gott, welchen sie Allah nennen. Wir glauben sogar mehr als Sie, denn wir beten in Isa Ben Marryam (Jesus, Sohn Marias), den Sie nur als Propheten verehren, den Sohn Gottes an. Aber in Beziehung auf Gespenster bin ich der ungläubigste Mensch, den es geben kann. Pflegen Sie des Nachts im Finstern zu schlafen?“
„Nein, sondern gerade des Gespenstes wegen brennen wir alle Licht.“
„Und es kommt dennoch?“
„Es kommt dennoch; es kommt durch die verriegelten Türen und wandelt durch die erleuchteten Zimmer, an uns vorüber. Es ist grauenhaft! Daß ich noch nicht entflohen bin, mag Ihnen beweisen, daß ich meinen Namen Nassyr, welcher sieg bedeutet, mit vollem Recht trage.“
„Auch die Haustür ist verriegelt?“
„Natürlich, und zwar mit zwei großen, schweren Riegeln, welche man gar nicht so leicht bewegen kann.“
„Und wo schläft Selim, der tapfere Haushofmeister, welcher es mit allen Helden des Weltalls aufnimmt?“
„Hinter der Haustür, wo er sich täglich ein Lager bereitet.“
„Und auch er hat den Geist gesehen?“
„Täglich, alle Abende hat er ihn erblickt. Sie mögen daraus erkennen, daß er wirklich kein furchtsamer Mensch ist. Heute werden wir zum erstenmal der Ruhe pflegen können, welche uns bisher versagt gewesen ist. Ich bin müde und bedarf des Schlafes. Gute Nacht!“
Er gab mir die Hand und ging in seine Wohnung. Ich hörte, daß er die Tür hinter sich verriegelte. Natürlich glaubte ich ihm sehr gern, daß er der Ruhe bedürfe. Starke Esser pflegen nach der Mahlzeit ermüdet zu sein. Aber daß ihn das Gespenst heute nicht stören werde, darüber war ich anderer Überzeugung. Ich hätte darauf schwören mögen, daß gerade heute der Geist kommen werde, wenn auch nicht mir zuliebe, aber doch gerade meinetwegen.
Es mochte nach unserer Zeit gegen elf Uhr sein, und ich hielt es für geraten, meine Vorbereitungen zu treffen, welche höchst einfach waren. Zunächst hatte ich die Kinder in Schlaf zu bringen. Sie mußten sich in eine Ecke auf das Polster legen, und ich deckte sie mit meinem Mantel, den Selim aus dem Hotel gebracht hatte, so zu, daß ihre Gesichter unter demselben steckten; sie sollten das Gespenst nicht sehen. Dann trat ich leise hinaus in den Säulengang, um nach der nächtlichen Beleuchtung zu sehen. Es gab keinen Mondschein; aber die Sterne schimmerten so hell hernieder, daß man wenigstens zehn Schritte weit zu sehen vermochte.
Zur Haustür kam das Gespenst nicht herein; das war gewiß, weil dieselbe mit Riegeln verschlossen war, und weil Selim dort lag. Ich war überzeugt, daß dieser Schlingel sich gerade denjenigen Ort, an welchem sich die Erscheinung nicht sehen ließ, zur Ruhestätte erwählt hatte. Der Geist stieg unbedingt über die Gartenmauer, in welcher es die schon erwähnten Breschen gab. Dort konnte man ihn kommen sehen. Trotzdem zog ich es vor, mich nicht in dem Garten zu postieren, denn vielleicht befand der Geist sich schon draußen, hätte mich bemerkt
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