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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das Wasser heben, um es auf ihre Felder zu leiten. Sie bestehen meist aus Rädern, an denen Gefäße hängen, welche das Wasser unten fassen und oben in einen Graben gießen, welcher es weiterleitet. Sie werden durch Kamele, Esel, selbst auch durch Rinder oder gar von Menschenhand bewegt, und ihr monotones Knarren ist weithin zu hören. Oft auch sieht man einen Armen am Kanal stehen, welcher das Wasser für ein einziges Feld mit eigenen Händen schöpft. Er besitzt nicht so viel, um sich eine Sakkia anzuschaffen und sie zu versteuern. Denn in Ägypten muß alles versteuert werden, selbst der Baum, wenn er nur einige Früchte trägt. Es ist vorgekommen, daß ganze Ortschaften ihre Palmwälder vernichteten, um der Steuer zu entgehen. Wer wohlhabend ist, der hütet sich sehr, dies zu zeigen, und der Arme braucht sich nicht zu verstellen. Darum macht die menschliche Staffage der Nillandschaft den Eindruck einer Dürftigkeit, welche zwar nicht zu den sozialen Verhältnissen des Landes, aber desto mehr zu seiner Fruchtbarkeit in krassem Widerspruch steht. –
    Wir näherten uns Siut, meinem einstweiligen Ziel. Zwei volle Tage hatte ‚Esch Schahin‘ noch am Ufer von Gizeh gelegen, bevor wir die Anker lichten konnten. So lange war der Emir durch seine Pflichten dort aufgehalten worden. Seine Nachforschungen nach dem Muza'bir waren in Kairo natürlich vergeblich gewesen, und als er bei seiner Rückkehr von mir erfuhr, daß derselbe auf dem Sandal ‚Abu l' adschal‘ flußaufwärts entkommen sei, wurde sein Ärger darüber nur durch die Hoffnung gemildert, daß wir bei der Schnelligkeit unseres ‚Falken‘ dieses Fahrzeug bald einholen würden.
    Wir hatten in allen Häfen angelegt oder wenigstens das Boot entsendet, um uns nach dem Sandal zu erkundigen, vergebens; er hatte die Ufer vermieden. Nun hofften wir, ihn in Siut zu sehen und dann Näheres über den Muza'bir zu erfahren. Lange, bevor wir den Hafen erreichten, sahen wir die Stadt vor uns liegen. Sie heißt koptisch Saud und ist das Lykonpolis (Wolfsstadt) der Alten. Sie steht wenig entfernt vom Ufer in einer sehr fruchtbaren und ungemein reizenden Gegend. Bei einer Einwohnerzahl von über dreißigtausend Köpfen ist sie der Sitz eines Paschas und eines koptischen Bischofes; in neuerer Zeit gibt es einen deutschen Konsularagenten hier. Ihr Handel erstreckt sich bis in das Innere von Afrika, denn sie ist die Hauptstation der nubischen und ostsudanesischen Karawanen. Die Stadt war schon im Altertum von Bedeutung, doch besitzt sie keine Monumente, wenn man nicht die alte Nekropole und die in den westlichen libyschen Bergen gelegenen Mumiengräber des früher hier verehrten Wolfes dazu rechnen will. Unweit des nicht sehr entfernten Dorfes Maabdah befindet sich eine leider wenig besuchte Höhle mit Krokodilsmumien.
    Wir ließen am Dorf El Hamra, welches den Hafen von Siut bildet, den Anker fallen. Der Emir hatte als Raïs Effendina keine hafenpolizeilichen Obliegenheiten zu erfüllen und konnte also mit mir sofort ans Land gehen. Wir suchten nach dem Sandal; er war nicht da. Von dem Hafenkapitän erfuhren wir, daß dieses Schiff zwar gesehen worden, aber ohne anzulegen vorübergesegelt sei. Wir mußten also annehmen, daß der Muza'bir sich nicht in Siut befinde. Achmed Abd el Insaf, der darauf brannte, den Menschen in seine Hand zu bekommen, beschloß, sofort wieder abzusegeln, um den Sandal einzuholen. Er hätte ohnedies nicht lange vor Siut liegenbleiben können, da seine Pflicht ihn nach Khartum rief. Er hatte noch am letzen Tag in Kairo durch einen seiner Agenten, deren er in jeder Nilstadt einen besaß, erfahren, das sich da oben etwas vorbereitete, wobei ein guter Fang zu machen sei. Was das war, konnte ich trotz seiner sonstigen Offenheit und des Vertrauens, welches er mir schenkte, nicht erfahren. Ich hatte bemerkt, daß er meine Eigenheiten studierte, und mich besonders über seine Wißbegierde gefreut. Tausend und noch mehr Fragen mußte ich ihm beantworten; er war ein sowohl körperlich wie auch geistig reich begabter Mensch und begriff sehr leicht. Am leichtesten aber hatte er eingesehen, daß seine Kenntnisse sehr mangelhaft seien, natürlich dem Wissen eines Europäers gegenüber. Bei dieser Armut an realem Wissen war es freilich kein Wunder, daß ich jede seiner Fragen zu beantworten vermochte, und so kam es, daß er mich, was ich leider nicht verdiente, für einen Ausbund von Klugheit und Gelehrsamkeit hielt. Bei all dieser Hochachtung und den

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