27 - Im Lande des Mahdi I
freundschaftlichen Gefühlen, welche er sichtlich für mich hegte, bewahrte er jene Zurückhaltung, welche dem Orientalen eigen ist, und die seinem Rang schuldig zu sein glaubte. Ich erkannte, daß es seine Ansicht sei, er stehe als Raïs Effendina über mir, der ich keinen militärischen oder sonstigen Rang bekleidete. Er hatte auch gar nicht Unrecht, und ich bemerkte mit Vergnügen die Genugtuung, mit welcher er die höfliche Bescheidenheit, derer ich mich befleißigte, beobachtete. Er vergalt dieselbe mit einer Zu- und Vertraulichkeit, welche nur dann sich in das Gegenteil verwandelte, wenn ich auf Khartum und seine dort zu verfolgenden Pläne zu sprechen kam. Doch konnte ich, da es sich hierbei um Amts- oder Dienstgeheimnisse handelte, ihm das nicht übel nehmen. Dennoch schien es mir, als ob diese seine Verschwiegenheit ihm weniger durch seine Pflicht als vielmehr aus persönlichen Gründen geboten erscheine, und das war es, was mich zu verstimmen vermochte, wenn ich es mir auch nicht merken ließ.
Da ich Murad Nassyr, meinem dicken Türken, das ihm gegebene Wort, ihn in Siut zu erwarten, halten wollte, so mußte ich mich hier von dem Emir trennen. Die Dinka-Kinder behielt er auf dem ‚Falken‘ in seiner Obhut, da es ihm leichter war als mir, sie in ihre Heimat zurückzubringen. Für mich wäre das vielleicht, ja sehr wahrscheinlich, unmöglich gewesen. Als ich mich von ihnen verabschiedete, hingen sie sich an mich und wollten an Bord bleiben. Ich konnte ihre Tränen nur mit dem Versprechen stillen, daß ich ihnen bald nachkommen wolle. Dann mußten zwei Matrosen meine wenigen Effekten nehmen, und der Emir führte mich nach der Stadt. Als ich ihn fragte, wo er mich da unterbringen wollte, antwortete er mir:
„Wo anders als beim Pascha? Ein Mann wie du darf nur beim vornehmsten Herrn wohnen.“
„Und du meinst, daß ich ihm willkommen sein werde?“
„Natürlich! Zumal wenn ich dich bringe und dich ihm empfehle. Er wird dich wie einen Freund und Bekannten aufnehmen.“
Das beruhigte mich. Dennoch hätte ich lieber in einem gewöhnlichen Haus, wo ich sie bezahlen konnte, um Unterkunft gebeten.
Der Weg führte vom Hafen auf einem Damm nach der Stadt. Zu beiden Seiten desselben breitete sich saftiges Grün aus, und goldenes Sonnenlicht flutete darüber hin. Der Damm war belebt von Menschen, welche, wie wir, vom Hafen kamen oder dorthin gingen. Wir gelangten durch eine sarazenische Pforte, welche zugleich den Haupteingang der Stadt bildete, in einen Hof, welcher zu dem Palast des Paschas gehörte. Die Wände ringsum waren weiß getüncht und die wenigen Fensteröffnungen mit dunklen Blenden versehen. An den Mauern zogen sich niedrige Bänke hin, auf denen, rauchend und kaffeeschlürfend, langbärtige Gestalten saßen, welche ich Lust hatte, für Angehörige der Schloßwache zu halten. Keiner dieser Männer kümmerte sich um uns.
Man sah, daß der Emir sich nicht zum erstenmal hier befand. Er schritt auf eine Tür zu, gebot den Matrosen, hier zu warten, und trat mit mir ein. Im Innern stand eine Wache, welche er nach dem Haushofmeister fragte. Der Soldat lehnte sein Gewehr an die Wand und entfernte sich. Nach einiger Zeit kehrte er zurück, hielt dem Emir die hohle Hand hin und sagte:
„Ich soll euch führen, wenn du mir einen Bakschisch gibst.“
Der Raïs Effendina verabreichte ihm eine derbe Ohrfeige und antwortete:
„Hier dein Bakschisch, und nun beeile dich, wenn du nicht die Bastonade haben willst!“
Der Gezüchtigte betrachtete nun erst den Emir genauer. Er sah ein, daß er es mit keinem gewöhnlichen Mann zu tun hatte; die Ohrfeige war ja der beste Beweis dafür, und schritt, sich eifrig die Wange reibend, uns voran.
Wir gelangten in einen Innenhof, in welchem es rundum Türen gab. Unter einer derselben stand ein in seidene Gewänder gehüllter dicker, unförmlicher Schwarzer, welcher uns mit finsteren Blicken entgegensah. Sobald aber sein Auge auf den Emir fiel, veränderte sich der Ausdruck seines Gesichtes; er krümmte den breiten Rücken, kreuzte die Arme auf der Brust und rief:
„Verzeih, daß du mich hier stehen siehst! Hätte ich deine hohe Gegenwart vermutet, so wäre ich dir entgegengekommen.“
Grobheit erregt Respekt; das schien der Raïs Effendina zu wissen, denn er antwortete in barschem Ton:
„Dessen bedarf es nicht. Aber wie kannst du dem Wächter befehlen, von mir ein Bakschisch zu verlangen?“
„Hat er das getan?“ fragte der Schwarze erschrocken. „Herr, ich habe
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