27 - Im Lande des Mahdi I
aufwärtsgehenden Schiff aus dem Staub gemacht.
Natürlich teilte ich dem Jüsbaschi (Oberlieutenant) meine Entdeckung mit und fragte ihn, ob er diesen Menschen nicht vom Sandal holen könne; leider aber sagte er mir, daß er ohne den besonderen Befehl des Emirs weder selbst den ‚Falken‘ verlassen, noch Leute von Bord schicken dürfe. Wir mußten also den Gaukler einstweilen laufen oder vielmehr fahren lassen. – – –
DRITTES KAPITEL
In Siut
Eine Segelfahrt auf dem Nil, welche inhaltsreichen Worte! Man hat el Kahira, die Pforte des Orients hinter sich und strebt dem Süden zu. Dem Süden! Man glaubte nicht, daß das Wort Sudan gleichbedeutend mit unserm deutschen ‚Süden‘ ist. Sudan (gesprochen Sudahn) ist der gebrochene Plural von aswad, schwarz; Beled heißt Land, und Beled es Sudan bedeutet das Land der Schwarzen. Der Süden heißt im Türkischen als auch im Arabischen Kyble oder Dschenub.
Nach dem Süden! Das ist so viel wie eine Fahrt ins Unbekannte, ins Geheimnisvolle. Und wer diese Fahrt schon zehn- oder zwanzigmal gemacht hat, dem bleibt der Süden doch immer noch die Gegend des Dunkels, in welcher täglich neue Entdeckungen zu machen sind.
Jetzt kann man mit der Bahn von Kairo nach Siut fahren; aber eine pfeifende Lokomotive am Nil, eine dunkle häßliche Rauchwolke in der herrlichen Luft des heiligen Stroms, das will wie eine Entweihung erscheinen. Und wie fährt man auf der ägyptischen Bahn! Es ist vor einigen Jahren in Ungarn vorgekommen, daß der Zug an einer kleinen Station zwei Minuten zu halten hatte, die Beamten stiegen aus, um Wein zu trinken; der Maschinist tat natürlich dasselbe. Da kam den Passagieren der Gedanke, auf einer nahen Kegelbahn ein Spielchen zu machen. Als die erste Partie zu Ende war, wurde noch eine zweite geschoben; dann stieg man gemächlich ein, und der Zug trollte sich mit Beamten und Passagieren von dannen. Wenn das an der schönen, blauen Donau geschieht, was kann man dann am Nil erwarten?
Ich ziehe das Deck eines Schiffes dem engen Bahncoupé vor. Da sitzt man auf seiner Matte oder auf seinem Polster, die Pfeife in der Hand und den duftenden Kaffee vor sich. Der über zweitausend Fuß breite Strom dehnt sich wie ein See vor dem Blick aus, scheinbar grenzenlos. Das erregt die Phantasie, welche vorauseilt, dem Süden entgegen, um sich denselben mit riesigen Pflanzen und Tierbildern zu bevölkern. Der Nordwind liegt in den Segeln; die Matrosen hocken allerorts und vertreiben sich die Zeit, indem sie schlafen, gedankenlos vor sich hinstarren oder sich mit kindlichen Spielen beschäftigen. Die Augen des Reisenden werden müde; sie schließen sich nicht, und doch beginnt er zu träumen, und er träumt, bis der Ruf erschallt: „Auf zum Gebet, ihr Gläubigen!“ Dann knien alle nieder, verneigen sich nach der Kibblah und rufen: „Ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer Gott; ich bezeuge, daß Mohammed der Gesandte Gottes ist!“ Dann schläft oder spielt man wieder, bis der Raïs ein Kommando erschallen läßt oder ein begegnendes Schiff oder Floß die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Die Flöße sind dem Fremden deshalb interessant, weil sie nicht aus Bäumen, Stämmen oder sonstigen Hölzern, sondern aus Wasserkrügen bestehen. Der Ägypter trinkt nur Wasser des Nils. Die Krüge, in denen man es schöpft, sind porös. – Die Unreinigkeit schlägt sich nieder, durch die Poren dringt die Feuchtigkeit, und indem dieselbe verdunstet, wird das im Gefäß befindliche Wasser kühler, als es im Fluß ist. Es hat einen äußerst angenehmen Geschmack, und wer sich einmal daran gewöhnt hat, der zieht es selbst dem Quellwasser der Oasen vor. Diese Wasserkrüge werden in Ballas, einem Ort am linken Nilufer, fabriziert und darum Ballasi genannt. Man flicht aus Stricken lange, rechteckige Netze, deren Zwischenräume vom Durchmesser der Krüge sind, welche in die Maschen des Netzes gehängt werden. Da die Gefäße leer sind, so schwimmen sie auf dem Wasser. Man stellt eine zweite Schicht darauf; dann ist das Floß fertig und kann stromabwärts gehen.
Die Fruchtbarkeit des Landes beruht nur auf den Überschwemmungen des Nils, welcher zu gewissen Zeiten steigt und ebenso regelmäßig wieder fällt. Je höher die Überschwemmung, auf eine desto reichere Ernte ist zu rechnen. Um das Wasser so weit wie möglich zu leiten, sind Kanäle gezogen. Auf den Dämmen dieser Kanäle wie auf den hohen Flußufern sind Sakkias angebracht, Schöpfwerke, mit deren Hilfe die Besitzer
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