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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hinschob.
    „Ich danke dir! Mein Körper bedarf jetzt keiner Speise. Möge sie dem deinigen wohl bekommen!“
    „Dieses Essen bekommt jedermann; es ist die Quelle der Lieblichkeit. Linsenmehl in Öl gekocht. Es erhebt die Seele zum reinsten der Gefühle und stärkt das Herz für alle Leiden dieser Welt!“
    Dabei fuhr er mit seiner fetten, schwarzen Rechten in den Brei, ballte einen Teil zu einer Kugel und hielt ihn mir mit den Worten an den Mund:
    „Nimm, und versuche es einmal!“
    „Behalte nur!“ antwortete ich, indem ich seinen Arm von mir schob. „Ich gönne dir diese Reinigung der Gefühle und diese Stärkung des Herzens sehr gern.“
    Er schob nun die Kugel in seinen Mund und schmunzelte dabei:
    „Ihr Christen wißt doch nie, was ihr tut. Hat doch Esau seine Erstgeburt für ein Linsengericht in Öl an den Erzvater Jakob verkauft. Davon aber weißt du natürlich nichts.“
    „Oho! Diese Geschichte von dem Linsengericht wird in unserer Bibel erzählt, und Mohammed hat sie aus derselben abgeschrieben. Aber in unserer heiligen Schrift wird nichts davon gesagt, daß die Linsen in Öl gesotten gewesen seien.“
    „Steht es wirklich nicht darin? Nun, so ist der Prophet sehr klug gewesen, als er es für uns herausschrieb. Du kennst also auch den Koran? Ja, du bist ein gelehrter Mann. Du hast das Leben in der Flasche und kennst alle Heilungen des Magens, aber was gut schmeckt, das weißt du doch noch nicht.“
    Er schob eine Handvoll Brei nach der andern in den Mund; er leerte den ersten, den zweiten und auch den dritten Teller, wie die Schüssel auch genannt werden konnte, und reinigte dann alle drei, wie es unerzogene Kinder zu machen pflegen, mit dem gebogenen Zeigefinger, welchen er ableckte. Dabei nahm er auch fleißig an der Unterhaltung teil, welche ich mit dem Stallmeister führte, der ein leidlich wißbegieriger Mann war. Da ich verstanden hatte, das Pferd zu zähmen, so traute er mir auch alle andern Geschicklichkeiten und Kenntnisse zu und legte mir eine Frage nach der andern vor, die ich ihm beantworten mußte. Als wir endlich nach Hause zurückkehrten und in den Hof traten, sahen wir die herbeigeholten blinden Kinder vor der Tür hocken. Ihr Anblick war ebenso herzbrechend wie Ekel erregend. Die erblindeten Augen schwollen zu eiternden Halbkugeln an, auf denen Fliegen und andere kleine Insekten ihr Wesen treiben. Die schlimme Krankheit ist ansteckend; sie geht von Auge zu Auge, von Individuum zu Individuum über. Die Kinder erhielten ihr Geld und wurden dann fortgeführt. Der kleine Scherz, welchen ich mir mit dem Dicken gemacht hatte, belastete mein Gewissen nicht im geringsten. Er war in Beziehung auf sein Einkommen so gestellt, daß er die kleine Summe an die armen, bedauernswerten Blinden recht wohl entrichten konnte.
    Kurze Zeit später brach die Dämmerung herein, und dann dunkelte es schnell. Ich wurde zum Abendessen gerufen, welches der Stallmeister mit mir allein einnahm. Er fragte mich zwar, ob er meinen Gefährten einladen solle, ich aber erklärte ihm, daß Selim nicht eigentlich so genannt werden könne, sondern nur der Diener eines späteren Gefährten von mir sei. Es lag mir nichts daran, den langen Menschen immer bei mir zu haben, und der Stallmeister fühlte seinerseits auch keine Lust, eine so untergeordnete Persönlichkeit bei sich sitzen zusehen.
    Nach dem Essen forderte mein Wirt mich zum Schachspiel auf. Eben hatten wir die Figuren aufgestellt, als sich draußen ein ungewöhnlicher Lärm erhob. Mehrere Stimmen riefen durcheinander, doch konnten wir die Worte nicht verstehen. Wir glaubten, es sei ein Unglück geschehen, und eilten in den Stallhof hinaus. Da standen die Reitknechte und andere Bedienstete starrten gen Himmel und riefen:
    „Eine Mondfinsternis, eine Mondfinsternis!“
    Es war so; der Mond verfinsterte sich. Ich hatte gar nicht gewußt, daß eine Mondfinsternis zu erwarten sei. Wir standen im Vollmond. Der Erdschatten legte sich nicht kupferrot, sondern dunkelgrau nach und nach über die Scheibe unsere Trabanten; daraus war zu schließen, daß die Verfinsterung nicht eine totale sein werde; doch ging er nach und nach so weit herüber, daß nur eine sehr schmale Sichel des Mondes unbedeckt blieb. Die Himmelserscheinung war mir interessant; den andern aber flößte sie Angst ein. Der dicke Haushofmeister kam gekeucht, hinter ihm mein langer Selim.
    „Effendi“, rief der erstere, als er mich erblickte, „siehst du auch, daß der Mond verschwindet? Sage mir, was

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