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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Angesicht wieder bei euch erscheinen sehen. Allah verlängere eure Tage und lasse euch die Freude meiner Anwesenheit mit dankbarer Aufmerksamkeit genießen.“
    Er ging. Was sollte ich tun? Daheim bleiben und auf ihn warten? Ich hatte einen Spaziergang durch die Stadt machen wollen und konnte dies nun doch ausführen. Eben stand ich im Begriff, den Hof zu verlassen, als mein Stallmeister erschien und, was er vorher unterlassen hatte, mich bat, mich begleiten zu dürfen. Als das der Schwarze hörte, erklärte er, daß er, falls er sich uns nicht beigeselle, den Zorn Allahs und aller Kalifen auf sich laden werde. Er ersuchte mich also, einige Augenblicke zu verzeihen, bis er dafür gesorgt habe, daß Selim während unserer Abwesenheit gut empfangen werde. Auch der Stallmeister zog sich für einige Minuten zurück, um sich vorzubereiten. Als beide wieder zum Vorschein kamen, hatten sie sich mir zu Ehren in die besten Feierkleider geworfen. Der Haushofmeister brachte zwei Läufer und zwei Neger mit. Die ersteren sollten mit ihren weißen Stäben vor uns herschreiten, um uns nötigenfalls den Weg zu bahnen, und die letzteren hatten die Aufgabe, den Zug zu schließen und dabei kostbare Pfeifen und Tabaksbeutel zur Schau zu tragen. Wie ich später erfuhr, hatte der Haushofmeister sogar die Absicht gehabt, uns drei Reitpferde nachführen zu lassen, um zu zeigen, daß wir nicht etwa aus Armut und Mangel an Tieren durch die Stadt wanderten. Nur die Rücksicht auf mich, der ich allerdings kein Pferd besaß, hatten ihn bewogen, von diesem Vorhaben abzusehen.
    So wanderten wir denn langsam und gravitätisch durch die Straßen der Stadt, deren Häuser meist aus dunklem Schlammstein gebaut sind. Was soll ich über sie sagen! Siut ist nicht Kahira. Es ist hier ganz dasselbe wie dort, nur in verkleinertem Maßstab und mit einigen topographischen und Terrain-Abwechslungen. Es gab hier Wasser-, Obst- und Brothändler, Eselsjungen, Lastträger, Türken, Kopten und Fellatah, gerade sowie dort. Diese orientalischen Städte gleichen einander außerordentlich. In den Bazars gab es ein großes Gedränge; aber unsere Läufer schoben, stießen und schlugen mit ihren Stäben so kräftig um sich, daß wir stets freie Bahn hatten. Die Ehrfurcht, mit welcher mein schwarzer Haushofmeister gegrüßt wurde, galt mir als ein Beweis dafür, daß seine Stellung eine wichtige und einflußreiche sei. Der kurze, langsame Spaziergang griff ihn so an, daß er bei jedem Schritt stöhnte, und schließlich erklärte er, daß er vor Müdigkeit und Hunger nicht weiterkönne und unbedingt in einem Sufra einkehren müsse.
    Sufra heißt eigentlich Speisetisch und wurde von dem Dicken mit der Bedeutung als Speisehaus gebraucht. Das hatte ich noch nicht gehört, und darum war ich neugierig, in was für ein Lokal er uns führen werde. Er gab den voranschreitenden Läufern einen Befehl; sie bogen in eine Seitengasse ein und blieben dann wie Schildwachen zu beiden Seiten einer Haustür stehen. Als wir eingetreten waren, kamen wir in einen kleinen, offenen Hof, auf welchem mehrere Reihen von Polstern lagen. Da saßen die Gäste dieses Speisehauses. Jeder hatte eine tönerne Schüssel vor sich, aus welcher er mit beiden Händen zulangte. Sauberkeit schien hier nicht gefordert zu werden; das sah man bei dem ersten Blick. Dazu gab es einen solchen Geruch nach ranzigem Öl, daß mir, selbst wenn ich Hunger gehabt hätte, der Appetit sofort vergangen wäre.
    Der Haushofmeister steuerte auf eine leere Ecke zu und ließ sich dort auf ein Kissen nieder. Da der Stallmeister seinem Beispiel folge, so tat ich dasselbe. Die beiden Neger kauerten sich vor uns nieder, um unsere Pfeifen zu besorgen. Einer der schmutzigen Wärter kam herbei, um nach unsern Befehlen zu fragen; der dicke Schwarze antwortete stumm dadurch, daß er drei Finger emporhielt.
    „Nein, für mich nicht!“ meinte der Stallmeister. „Ich esse nicht.“
    Nun wußte ich, was die drei Finger zu bedeuten hatten, nämlich drei Portionen, und beeilte mich, zu erklären, daß auch ich nichts zu genießen beabsichtige.
    „Dennoch drei!“ befahl der Dicke, indem er die Finger abermals emporstreckte. Nach kurzer Zeit wurde das Verlangte gebracht. Es hatte ein braungrünes, schlammiges Aussehen. Ich betrachtete es, sog den durchdringenden Duft ein – vergebens; ich konnte nicht erraten, was es war.
    „Nimm das, aus Liebe zu mir!“ forderte mich der Haushofmeister auf, indem er mir eine der drei Schüsseln

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