27 - Im Lande des Mahdi I
hier angekommen bin, mit welchem ich bei dem Gärtner wohnte, bis ich dir begegnete. Ich habe ihn dadurch, daß ich ihn verließ, um hierher zu dir zu ziehen, schwer betrübt, denn er ist nur mir zuliebe in Siut ausgestiegen. Wir mußten, da das Schiff hier gar nicht hielt, in einem Boot an das Ufer gehen. Auch er wollte dich gerne sehen, denn ich hatte ihm so viel von dir erzählt, daß er ganz begierig wurde, einen solchen Effendi kennenzulernen.“
„Warum hat er sich da nicht bei mir sehen lassen?“
„Weil er es nicht wagte, dich zu belästigen. Du bist ein vornehmer und gelehrter Effendi, während er ein armer Händler ist. Aber trotzdem würde dich seine Gegenwart wohl erfreuen und unterhalten, denn er hat eine sehr geschickte Hand und weiß eine solche Menge von Kunststücken zu machen, daß er es sicher mit dem besten Muza'bir aufnehmen könnte.“
Diese Worte frappierten mich. Ich fragte nach dem Schiff, mit welchem die beiden gekommen waren, und erfuhr zu meiner Überraschung, daß es dasjenige war, auf dessen Deck ich den Taschenspieler gesehen hatte. Ich ließ mir die Person genau beschreiben und erhielt Antworten, welche mir die vollständige Überzeugung brachten, daß der Gaukler, welcher mir nach dem Leben trachtete, mit dem ‚Freund‘ Selims identisch sei.
Also befand sich dieser Mensch hier in Siut! Da konnte ich mich nur in acht nehmen, denn daß er mich nicht aus den Augen lassen, sondern alles versuchen werde, den mißlungenen Angriff doch noch auszuführen, das hielt ich für zweifellos.
„Also du hast zu diesem Händler von mir gesprochen?“ fragte ich. „Hat er sich nach meinen Verhältnissen und nach dem Ziel meiner Reise erkundigt?“
„Ja, sehr genau.“
„Du hast ihm gesagt, daß ich in Siut auf Murad Nassyr warte?“
„Natürlich! Warum hätte ich es ihm nicht sagen sollen?“
„Du hattest allerdings keine Veranlassung, es ihm zu verschweigen, denn er hat es schon vorher gewußt.“
„Nein, Effendi. Er hat von dir überhaupt gar nichts gewußt.“
„O doch! Er hat an Bord der Dahabiëh, mit welcher ich fahren wollte, gehört, daß ich die Absicht hatte, in Siut auszusteigen. Freilich hat er dir wohlweislich verschwiegen, daß er mich kennt, denn du hast das Auge sein sollen, durch welches er mich im Gesicht behält.“
„Du irrst. Wäre deine Vermutung wahr, so würde er es mir mitgeteilt haben, denn er ist ein sehr aufrichtiger und liebenswürdiger Mann. Ich bin der größte Menschenkenner meines Stammes und kann mich nie in einem Menschen täuschen.“
„Hier hast du dich nicht nur getäuscht, sondern du bist geradezu betrogen worden. Ich habe dir erzählt, in welcher Weise man mir auf der Dahabiëh nach dem Leben trachtete; nun wohl, dieser dein aufrichtiger und liebenswürdiger Freund ist jener Gaukler, welcher mir die Brieftasche nahm.“
„Allah 'l Allah!“ rief er erschrocken. „Das ist ja unmöglich!“
„Es ist die volle Wirklichkeit. Er ist nach Siut gefahren, um mich hier zu erwarten. Der Zufall hat dich mit ihm zusammengeführt, und er hat diesen Umstand benutzt, um mich zu beobachten, ohne daß ich ihn zu sehen bekomme. Du hast ihm natürlich erzählt, daß du mir begegnet bist, und daß ich hier bei dem Stallmeister wohne?“
„Allerdings. Doch bat er mich, dir nichts davon zu sagen.“
„Das glaube ich sehr gem. Bist du, seit du bei dem Haushofmeister wohnst, wieder mit diesem sauberen Freund zusammengekommen?“
„Ja, gestern abend, eine Stunde nach dem Nachtgebet. Er hatte mir gesagt, daß er an der Brücke stehen werde, an welcher ich dich getroffen habe, und ich bin zu ihm gegangen.“
„Was wollte er da wissen?“
„Er fragte, was du heute machen würdest, und ich benachrichtigte ihn von deiner Absicht, die Gräber von Maabdah zu besuchen.“
„Hm! Was noch?“
„Weiter nichts. Es gingen viele Leute vorüber, unter denen du dich zufällig befinden konntest; darum hat er nur wenige Worte mit mir gesprochen.“
„Du siehst, daß ich ihn nicht sehen soll, daß er sich also vor mir fürchtet. Wie unvorsichtig bist du gewesen! Wäre er ein ehrlicher Mann, so brauchte er mich nicht zu fliehen! Das hätte dich mißtrauisch machen sollen. Wann wirst du ihn wieder treffen?“
„Ich soll erst dann zu ihm in seine Wohnung bei dem Gärtner kommen, wenn ich höre, daß du von hier abreisen willst. Das soll ich ihm melden.“
„Du hast nicht klug, gar nicht klug gehandelt; aber vielleicht ist es möglich, den Fehler gut zu
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