270 - Hinter dem schwarzen Tor
verdammten Früchte kommen. Gerade den Handel mit ihnen habe ich unter schwerste Strafe gestellt, und trotzdem scheint die Meffia genügend Nachschub zu bekommen. Immer wieder werden am Tevere-Ufer die Leichen muskelbepackter, aufgedunsener Gladiatoren angeschwemmt. Als mache es die Meffia mit voller Absicht, um mir zu zeigen, wer die wahren Herren Roomas sind.«
***
Eine andere Zeit, ein anderes Land
Der Wald ist tief verschneit. Die schwache Februarsonne fällt durch die Baumkronen und veranstaltet geheimnisvolle Licht- und Schattenspiele im Unterholz. Die Kriegerin im Taratzenmantel kämpft sich durch das jungfräuliche Weiß, das ihr teilweise bis an den Gürtel reicht. Der Jagdbogen hängt auf ihrem Rücken, denn auf dem Arm hält sie ein kleines Mädchen, gerade mal vier Sommer alt. Das Mädchen mit den bunten Bändern im langen Blondhaar und der Kappe aus Kepirfell darauf gluckst und lacht und fasst der Kriegerin an die Nase. Die lacht zurück und kitzelt das Mädchen am Bauch. Das unbeschwerte Lachen bricht sich im Dickicht und kommt als Echo zurück.
»Was machen wir heute?«, fragt das Mädchen plötzlich. »Wieder Brabeelen suchen?«
»Nein«, erwidert die Kriegerin. »Heute zeige ich dir, wie man eine Falle baut, in der man Gerule fängt.«
»Ich will aber Brabeelen suchen«, schmollt das Mädchen. »Die schmecken so gut.«
»Heute nicht.«
Sie gehen weiter und kommen an eine Lichtung, über der Kolks in der klaren Nachmittagsluft kreisen. Die Kriegerin verharrt. Zwischen den Bäumen nimmt sie eine Bewegung wahr. Sie setzt das Mädchen ab und greift nach dem Jagdbogen.
Gleich darauf überspringt ihr Herz zwei Schläge. Maagnus steht dort und schaut zu ihr herüber. Der Botenläufer aus Kaias Horde ist zwei Köpfe größer als sie. Sein weißblondes Haar fällt aus einem Knoten am Hinterkopf bis zum Gürtel hinunter, sein Gesicht mit den leuchtend blauen Augen hält er bartlos.
Die Kriegerin schnappt sich das Mädchen und stapft zu Maagnus hinüber. Sie liebt ihn, seit sie ihm zum ersten Mal bei der Jagd begegnet ist, und er weiß es. Er hat auf sie gewartet.
Die Kriegerin stellt das Mädchen neben sich auf den Boden. Sie keucht, als Maagnus sie wortlos und mit hartem Griff anfasst, während seine Augen leuchten. Auch ihre Augen leuchten. Wie oft hat sie in einsamen Nächten davon geträumt. Maagnus drängt sie wortlos unter die mächtige Wurzel eines umgestürzten Baumes, wo ein Moosbett, durch den Schnee schimmert.
»Du bleibst hier und wartest auf mich«, keucht die Kriegerin noch in Richtung des Mädchens. Dann lässt sie sich mit Maagnus auf das Moos sinken.
Der Kleinen ist langweilig. Sie weiß nicht, warum ihre große Freundin und der Mann so laut grunzen wie die Piigs im Gatter des Dorfes. Es macht ihr auch etwas Angst. Sie will lieber Brabeelen suchen, als hier zu warten. Dort drüben, jenseits der Lichtung, sieht sie mit ihren scharfen Augen einen Brabeelenbusch stehen.
Sie geht los auf ihren kleinen Beinchen, quer über die Lichtung…
***
Rooma, Juni 2526
»Es gibt diese Muskel bildenden Früchte also nach wie vor«, murmelte Matt betroffen. Irvin ist durch sie gestorben, und Aruula wurde fast süchtig danach…
»Ja, so ist es«, mischte sich nun Noone in das Gespräch ein. »Niemand von uns weiß, wo sie herkommen. Es gibt sie in den verschiedensten Wirkungsweisen. Auch solche, die den Geist auf Reisen in bunte Reiche schicken und dafür sorgen, dass man sich leicht und wohl fühlt. Und wenn man wieder erwacht, sieht die Wirklichkeit so düster aus wie Orguudoos Reich…«
Das klingt, als hätte sie selbst schon diese Erfahrung gemacht , dachte Matt betroffen. Er wollte Noone eine Frage stellen, doch sie erhob sich abrupt.
»Entschuldigt mich bitte.« Mit schweren Schritten, als sei sie eine alte Frau, ging sie nach draußen.
»Was hat sie?«, fragte Matt.
Moss schaute wieder in weite Ferne. »Eine schlimme Geschichte«, sagte er leise. »Vor drei Sommern wurde Noone von der Meffia entführt, um mich zu erpressen. Dem armen Mädchen wurden schlimme Qualen zugefügt, nicht nur mit diesen Früchten. Sie wollten sie gefügig machen, damit sie als Spionin für sie arbeitet. Siilvo verlangte sogar von ihr, mich zu ermorden. Gott sei Dank habe ich wenigstens diese Pläne vereiteln können. Es ist mir im letzten Moment gelungen, Noone aus den Händen dieser Verbrecher zu befreien. Sie leidet heute noch darunter. Und ich befürchte, dass es bis zu ihrem Tod andauern
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