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272 - Dieser Hunger nach Leben

272 - Dieser Hunger nach Leben

Titel: 272 - Dieser Hunger nach Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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erste Heidin war, die ich tatsächlich als Schäflein auf die Weide unseres guten Hirten führen würde, denn bei den anderen Mädchen war ich wohl nicht nachhaltig genug gewesen, da sie auch nach der siebten Behandlung noch immer nicht von ihrem grausamen Götzen Yucahú ließen, stattdessen aber immer intensivere Behandlungen forderten.
    Viele Tage blieb ich bei den Taino, lernte von ihnen und bekehrte Mencia Stück um Stück. Danach nahm ich sie sogar mit in die factoria , um sie mit unserem Leben bekannt zu machen, das um so vieles besser und erfüllter ist als das der Naturheiden.
    Doch ich traf veränderte Verhältnisse an. Colón war mit seinem Bruder Bartolomeo, mit dem ich den Vornamen teile, und zahlreichen Soldaten auf der Suche nach Gold ins Hinterland aufgebrochen. Der mir nicht wohl gesonnene Francisco Roldán führte nun das große Wort in La Isabela. Der Indiohasser, der auch dem Ausländer Colón in inniger Abneigung, ja Hass zugetan war, nahm Mencia zum Anlass, die Bewohner La Isabelas gegen mich aufzuwiegeln, denn damit gedachte er Colón als meinen Freund zu treffen. So spaltete er sie innerhalb von Tagen in zwei unversöhnliche Lager. Da die Anhänger Roldáns deutlich in der Überzahl waren, wagte er das Unglaubliche: Er ließ Mencia in Ketten schlagen und schlug ihr höchstpersönlich den Kopf ab, um mich wieder zu einem Benehmen zu bringen, das eines Dominikaners würdig sei.
    Damit zog er sich die Feindschaft der Taino zu. Bereits zwei Tage später überfielen sie die noch junge factoria . Sie konnten von unseren Soldaten unter empfindlichen Verlusten zurückgeschlagen werden, aber auch wir hatten fünfzehn Tote zu beklagen. Da ich wusste, dass dieser Hund Roldán, dieser hidalgo de privilegio , die gefangenen und verletzten Taino aufs Grausamste niedermetzeln würde, verhalf ich einem halben Dutzend von ihnen zur Flucht. Da dies nicht unbemerkt blieb, ließ Roldán nun auch mich in Ketten schlagen.
    Und wer weiß, wie es mir ergangen wäre, wäre nicht zwei Tage nach dem Massaker Cristóbal Colón zurückgekehrt.Der Genueser veranlasste meine Freilassung und stieß Roldán zurück ins zweite Glied. Da ich aber den Hass vieler Siedler auf mich gezogen hatte und Mencia an diesem Ort nicht vergessen konnte, wollte ich nicht in La Isabela bleiben, sondern zurück in die Alte Welt segeln.
    Es waren allerdings nicht die Überredungsversuche Cristóbal Colóns, die mich umzustimmen vermochten, es war die Stimme meines eigenen Gewissens. Hatte ich nicht meiner Königin, deren Tochter ich als geistlicher Erzieher zu einem guten Christenmenschen geformt hatte, ein hochheiliges Versprechen gegeben? Nämlich das, möglichst viele Heiden zum wahren Glauben zu bekehren? Sollte ich es nun gleich bei der ersten Gelegenheit, da mir der Wind etwas heftiger ins Gesicht blies, brechen? Nein. Das hätte mir nicht nur Isabel la Católica niemals verziehen; auch Gott unserem Herrn hätte ich einst an seinem Throne nicht die richtige Rechenschaft abzulegen gewusst. Also blieb ich in der Neuen Welt, in Las Indias, diesem unglaublich schönen Land, in dem fast immer die Sonne scheint. Nur meine Tage in La Isabela waren gezählt.
    Tage später zog ich an Colóns Seite gegen die Indios zu Felde. In einem Rachefeldzug ohnegleichen überfiel er mit dreihundert Soldaten ihre Dörfer, metzelte fast tausend von ihnen nieder, Männer, Frauen wie Kinder und führte sechzehnhundert der unglücklichen Heiden, die diese Behandlung dank ihrer angeborenen Liebenswürdigkeit nicht verdienten, in die Sklaverei. Damit löste Colón denn auch blankes Entsetzen im spanischen Herrscherhaus aus.
    König Ferdinand und seine Gattin Isabella hatten Colón nicht weniger aufgetragen als das, die Ureinwohner freundlich zu behandeln. Doch den Genueser kümmerte es wenig. Er ließ sogar über eine halbes Tausend der Indios nach Spanien verschiffen, doch bereits auf der Überfahrt starb die Hälfte von ihnen eines jämmerlichen Todes. Der Rest wurde nach ihrer Ankunft auf Betreiben Isabellas freigelassen und in seine Heimat zurückgebracht.
    Von diesem Charakter also ist Cristóbal Colón. Selber eine Herrschernatur, die es nicht duldet, wenn man seine Entscheidungen in Frage stellt oder auch nur Einwände hat. Aus diesem Grund kühlte sich unsere Freundschaft stark ab, denn ich erinnerte ihn bei unserem Feldzug ständig an das, was unsere Herrscher uns mit auf den Weg gegeben hatten. Mit flammenden Reden und indem ich mich weiterhin mutig

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