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272 - Dieser Hunger nach Leben

272 - Dieser Hunger nach Leben

Titel: 272 - Dieser Hunger nach Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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über ihre Götzen erzählte. Wir verglichen und ich machte ihr daraus deutlich, warum mein Glaube der einzig wahre ist, ja sein muss. Es funktionierte gut, da ich das Taino zwischenzeitlich einigermaßen gut beherrschte. Doch ließ ich es zu, dass sie mich auch mit ihren Farben bemalte, denn sie hatte eine große Freude daran.
    Als sie viele Wochen später morgens neben mir erwachte, noch ein wenig trunken vom areyto , einem traditionellen Tanzfest am Abend zuvor, und statt zu ihrem Götzen Yucahú das Vaterunser betete, noch etwas holprig zwar, war ich nichtsdestotrotz der glücklichste Mensch auf Erden. Es war mir tatsächlich gelungen, Higuemota zur Christin zu bekehren!
    Nun war es fürderhin nicht mehr nötig, ihr Jesum Christum in den Leib zu pressen. Doch durch geschicktes Nachfragen stellte ich zu meinem Erstaunen fest, dass ihr Glaube noch lange nicht gefestigt war, da sie zum Beispiel die zwölf Apostel nicht fehlerfrei aufsagen konnte. So hieß es weiterhin an ihr arbeiten.
    Doch das Verhängnis nahm seinen Lauf. Eine starke Einheit spanischer Soldaten unter Bartolomeo Colón rückte an. Die Späher der Indios sahen sie schon von weitem und so konnten sich die Maguá auf den Kampf vorbereiten. Das taten sie, indem der Behike, ihr Medizinmann, berauschende Kräuter inhalierte und die Götzen um Beistand anrief, während sich die Krieger mit vielen bunten Federn schmückten und ihre Körper bemalten, denn neben guten Kämpfen ist diesen Heiden auch ein gutes Aussehen wichtig.
    Aus den benachbarten Dörfern kamen weitere Krieger und so standen am kommenden Tage etwa viertausend von ihnen gegen hundertfünfzig Spanier. Ich zog an der Seite der Maguá, mit ihren Farben bemalt, in die Schlacht, nachdem ich mich, dem Gebot der Nächstenliebe folgend, zärtlich von Higuemota verabschiedet hatte; sie hatte mit den Alten, Siechen, Frauen und Kindern im Dorf zu bleiben. Kämpfen musste ich jedoch nicht, das verlangte Guarocuya nicht von mir.
    Die Maguá stellten die Spanier auf einer Ebene, die der von La Vega glich. Das war der erste fürchterliche Fehler und zum ersten Mal galten meine Gebete den Heiden, gleichwohl ich wusste, dass sie nichts nützen würden. Denn Bartolomeo rückte mit Kavallerie, Infanterie und Kriegshunden an. Und, was noch schlimmer war, mit Artilleriesoldaten, denn im Tross der Spanier befanden sich zwei Feldschlangen aus Bronze.
    Die viertausend bunt geschmückten Krieger der Taino bildeten eine langgezogene Mauer in zehn oder mehr Reihen hintereinander. Sie sahen Furcht erregend aus mit ihren durch die Farben fratzenhaft verzerrten Gesichtern. Und doch würden auch sie eine leichte Beute der Spanier werden, denn Guarocuya wollte nicht auf meine Ratschläge hören, da das, was ich vorschlug, nicht die Art seiner Krieger sei, zu kämpfen. Das war der zweite fürchterliche Fehler.
    Anstatt die Spanier einzukreisen, sie zuerst aus sicherer Deckung mit Speerwürfen zu attackieren und sie dann, wenn Verwirrung herrschte, von allen Seiten anzugreifen, stürmten sie allesamt mit schrecklichem Kriegsgebrüll aber doch blindlings auf die Schlachtordnung der Spanier zu.
    In der Mitte der spanischen Phalanx standen die Feldschlangen. Ich sah die Lunten rauchen und gleich darauf gingen sie mit fürchterlichem Donner und Getöse los. Die dreizehn Kilo schweren Geschosse explodierten in den vorderen Reihen der Taino, schlugen schwere Breschen und verursachten ungeheure Verwüstungen. Grauenhafte Schreie ertönten; ich sah Maguá, die sich in ihrem Blut wälzten oder auf abgerissene Gliedmaßen starrten.
    Triumphgeheul brandete aus den Reihen der Spanier herüber, während ich meine ohnehin innigen Gebete noch verstärkte. Die Reihen der Maguá gerieten ins Stocken, aber dann setzten die Indios der zweiten und dritten Reihe über die Toten und Verwundeten hinweg und stürmten mit erhobenen Keulen und Obsidianschwertern auf die Spanier zu.
    Die spanischen Soldaten in ihren Dreiviertelrüstungen und Stahlhelmen bewahrten stoische Ruhe. Keiner verlor die Nerven, schoss vorzeitig oder flüchtete. Schulter an Schulter standen die Christen gegen die Heiden, in vorderster Linie die Arkebusiere. Mit angelegten Arkebusen warteten sie, bis die Maguá auf etwa dreißig Meter heran waren. Dann schossen sie die Waffen ab.
    Dutzende von Indios wurden aus der anstürmenden Phalanx geschossen. Brüllend gingen sie zu Boden und wurden gleichzeitig zur Stolperfalle für die Nachfolgenden. Erneut geriet der Angriff ins

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