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272 - Dieser Hunger nach Leben

272 - Dieser Hunger nach Leben

Titel: 272 - Dieser Hunger nach Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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pflügte die Doña Filipa ohne Widerstand durch die Wellen, und anrollende Brecher gingen einfach durch sie hindurch. Die physikalischen Gesetze dieser Welt hatten für die Gestalt gewordene Blaupause nur bedingt Gültigkeit. So hatte Mutter festgestellt, dass sie das Schiff nicht dazu bringen konnte, tiefer einzusinken. Andererseits ließ sich die Karavelle von den Strömungen der See und der Kraft des Windes nicht beeinflussen und machte auch dann Fahrt, wenn die Segel schlaff herabhingen.
    Eigentlich hätten die Segel auch gerefft bleiben können, doch die Schatten ließen nicht davon ab, sich mit derlei Tun zu beschäftigen. Als würden sie der Erinnerung ihrer früheren Leben nachhängen, um das jetzige zu ertragen. Gelegentlich stiegen sie in die Wanten, um Segel zu setzen oder zu reffen und sie in den Wind zu drehen. Sie hatten diese Arbeit nie zuvor getan, wie Mutter wusste. Das Wissen darüber stammte aus dem Wissensschatz des Capitáns. Antonio Rodriguez selbst zog es immer wieder zum Steuerrad, als müsste er das Schiff in Wind und Wellen auf dem richtigen Kurs halten.
    Die Energie ging derweil schneller zur Neige, als Mutter lieb war. Der Glanz der siebendimensionalen Strahlung, die sie nach wie vor wahrnahm, war zwar näher gerückt, aber doch noch ein ganzes Stück entfernt. Mit Sorge bemerkte Mutter , dass ihre mentale Substanz schon wieder zeitweilig zu verschwimmen begann, dass sie sich nicht mehr richtig konzentrieren konnte. Auch die Gedanken der Schatten wurden seltsam unscharf. Das ganze Kollektiv wirkte weitaus immaterieller als noch zu Anfang.
    Wir brauchen dringend Nahrung!
    Als sich die schwarze Karavelle im Ärmelkanal auf Höhe des längst vergangenen Falmouth befand, stieg eine riesige Seeschlange aus den unergründlichen Tiefen empor, angelockt durch das rote Pulsieren. Das etwa zwanzig Meter lange Tier mit den gezackten Hornplatten auf dem Drachenkopf riss das mit scharfen Reißzähnen bewehrte Maul weit auf, um den mit Harz ummantelten Siliziumbrocken, der ein kleines Stück aus dem Bug ragte, zu verschlingen.
    Doch es schnappte ins Leere. Knirschend schlugen die Kiefer aufeinander, während sich der leuchtende Brocken samt einem Teil des Schiffsrumpfes schattenhaft durch den Schnauzenrücken schob!
    Mutter spürte die Gier der Ausgehungerten und erkannte die Möglichkeit, die sich ihr bot. Würde es den Schatten gelingen, der Bestie ihre Lebensenergie zu entreißen - und würde sie selbst diese Energie nutzen können?
    Mutter zog das Schiff herum, sorgte dafür, dass die Schatten sich allesamt am Bug versammelten, und provozierte einen weiteren Angriff der Seeschlange.
    Tatsächlich bäumte sich das Tier abermals auf, versuchte den Rumpf aufzureißen - und kam mit den Schatten in Kontakt!
    Augenblicklich wechselten seine Atome in die Siebendimensionalität und verklumpten zu einer starren Masse. Die Schlange versteinerte vom Kopf her und gab gleichzeitig ihre Lebensenergie an das Kollektiv ab. Dort verteilte sie sich gleichmäßig.
    Trotz des Erfolgs schrie Mutter vor Enttäuschung auf. Die Lebensenergie der Schlange, die vollkommen versteinert in die finsteren Tiefen absank, war trotz ihrer Größe und Kraft viel zu schwach, um das Kollektiv nachhaltig stärken zu können! Es gab also einen Unterschied zwischen menschlicher und tierischer Lebenskraft - und der reinen Siebendimensionalität, wie sie im Ursprung und im Tunnelfeld existierte und wie sie sie weit voraus erspürt hatte. Sie war die bei weitem nahrhafteste Energieform.
    Es dauerte zwei weitere Tage, bis die schwarze Karavelle die Kanalinsel Guernsey erreichte. Mit buchstäblich letzter Kraft, denn der Energieverlust des Kollektivs bewegte sich seit Stunden im tiefroten Bereich. Aber jetzt war der Glanz ganz nahe - und er strahlte aus vielen Quellen! Das motivierte Mutter noch einmal.
    Es war heller Tag, als sich die Karavelle in die schmetterlingsförmige Bucht schob.
     
    Auf dem weißen Sandstrand, der von steilen Felsen gesäumt wurde, saß eine kleine Frau mit puppenhaftem Gesicht namens Sarah Kucholsky in der Sonne. Sie hatte es sich auf einem natürlichen, mit Seegras bewachsenen kleinen Sandhügel bequem gemacht und hängte eine Angelrute in die sanft anlaufenden Wellen. Gedankenverloren starrte sie vor sich hin.
    Heute Morgen hatten diese dreimal verfluchten Nosfera, die ihnen das Blut aussaugten, die Community Guernsey plötzlich verlassen. Deren Seher Asyro hatte Nosfera und Technos vor einer unheimlichen Gefahr

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