2720 – Im Stern von Apsuma
mit Erheiterung, wie dieser um sein Gleichgewicht kämpfte.
Erst dann ließ er Schechter die Fußfesseln abnehmen und trat ein paar Schritte zurück, um nicht mehr in der Reichweite von Schechters Beinen zu sein.
»Schön, dich wieder bei uns zu haben.« Grinsend musterte er den Gefangenen.
Halit-Bakud war der Aufseher des Zellenblocks, in dem Schechter bis zu seinem Picknick eingesessen hatte und in dem er nun wieder einsitzen würde. Einen Antrag auf Verlegung hatte er gar nicht erst gestellt. Gruppen wie die Bruderschaft der Schlafteiler gab es nicht nur in sämtlichen Zellenblöcken von Holosker, sondern in sämtlichen Gefängnissen von Aunna.
Außerdem wäre der Antrag sowieso abgelehnt worden.
Aunna war geradezu prädestiniert, die Gefängniswelt des Tamaniums zu bilden. Der neunte Planet des Helitas-Systems hatte eine mittlere Oberflächentemperatur von minus 180 Grad Celsius und war eine einzige Eiswüste. Dort hatte das Tamanium mehrere Gefängnisse eingerichtet, von denen Holosker das größte war: eine ganze Stadt auf Lowtech-Niveau unter einer Kuppel mit einem Bodendurchmesser von 2800 Metern und einer Zenithöhe von 500.
Die tefrodischen Aufseher wohnten außerhalb, in der Raumstation AUN-5, und verbrachten lediglich ihre Dienststunden in Holosker. Bei der Station handelte es sich um einen modifizierten Schlachtkreuzer von 600 Metern Durchmesser im geostationären Orbit, 9067 Kilometer über dem Äquator. Die Verbindung zu Holosker war lückenlos gesichert und wurde im Bedarfsfall von einer Kombination aus Antigravröhren und Traktorstrahlen aufgebaut.
Solche Bedarfsfälle gab es aber nur selten. Kontakte zur Außenwelt stellten potenzielle Fluchtmöglichkeiten dar, die die Eiswelt nicht bot. Wohin sollte man auf Aunna fliehen? In die Eiswüste mit ihren häufig vorkommenden Beben und den eigens ausgesetzten Dornwürmern, die früher oder später jedes Lebewesen erwischten? Auch Aunnas Atmosphäre war lebensfeindlich. Sie bestand zu fast 99 Prozent aus Stickstoff und enthielt etwas Argon, Methan, Kohlenwasserstoffe sowie Spuren anderer organischer Verbindungen. Der atmosphärische Druck an der Oberfläche betrug etwa 1,5 bar und war damit etwa 50 Prozent höher sowie fünfmal dichter als etwa die Tefors.
»Ich freue mich ebenfalls«, sagte Schechter. »Es ist schön, wieder hier zu sein.«
Halit-Bakud musterte ihn skeptisch. Meinte Schechter das wirklich ernst? Nach einem Tag in der Eiswüste mochte einem Holosker wirklich wie das Paradies vorkommen. Aber irgendwie bezweifelte der Aufseher Schechters Aufrichtigkeit.
»Ja«, sagte er. »Nicht ganz so schön wie auf Gloster, aber immerhin.«
*
Schechters Gesicht verdüsterte sich. Auf Gloster hatte das Unheil begonnen. Er erinnerte sich gern an Gloster, abgesehen von jenem letzten Tag natürlich.
Gloster war der sechste Planet des Systems, eine atmosphärelose Welt, die über reiche Vorkommen an Hyperkristallen verfügte. Nur deshalb war der teforgroße Planet besiedelt und industrialisiert worden. Solch eine Fundstätte konnte man nach der Hyperimpedanz-Krise nicht ignorieren, und deshalb waren große, glanzvolle Städte in Kavernen entstanden, in denen das Leben nur so tobte. Ein lebenslustiges und lebenshungriges Grenzland eben.
Ein Grenzgebiet, das Schechter angezogen hatte.
Er hatte sich in einer der wunderbaren Kavernenstädte von Gloster niedergelassen und sich in den Hyperkristallminen verdingt. Er hatte sich für drei Jahre verpflichtet, gut verdient, viel gespart und ständig den Ghyrd getragen, weil er sonst die Kontrolle über sich zu verlieren drohte. Bis auf jenes eine Mal, als er mit einer jungen Frau zusammen gewesen war, die ihm mehr bedeutete, als er sich eingestehen wollte.
Und die an einer seltenen Krankheit litt.
Um sie zu heilen, hatte er den Ghyrd abgelegt. Dummerweise war ihr fester Freund unvermittelt erschienen und hatte sie in einer harmlosen Situation überrascht, die man jedoch als verfänglich interpretieren konnte.
Was der junge Mann prompt getan hatte. Er hatte Schechter angegriffen, und Schechter hatte die Kontrolle verloren.
Es war eine blutige Angelegenheit gewesen, die ihm die Gefängnisstrafe auf Aunna eingebracht hatte, die er seither verbüßte.
*
»Aber fast«, antwortete Schechter nun. »Wenn man einmal in den Eiswüsten gewesen und einem Dornwurm begegnet ist, kommt einem Holosker wie ein luxuriöses Hotel vor, auch wenn es eine Gefängnisstadt ist.«
Halit-Bakud betrachtete
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