2721 – Der Paradieb
Bestätigung der Meldebehörde.«
»Keine Vermerke? Etwa über Nachfragen vonseiten anderer staatlicher Stellen?«
»Nein. Warum sollte ...« Pino verschluckte den Rest. So, wie er mittlerweile die Lage einschätzte, war nicht er es, der die Fragen stellte.
»Um tausendfünfundvierzig wird unser neuer Freund anderswo im Haus erwartet«, sagte Lydia.
»Passt schon.« Ihr Schwager, der trotz seiner rundlichen Figur ungesund, ja leidend wirkte, hob die Hand. Zwischen den Fingern hielt er eine kleine Apparatur.
Ehe Pino erkennen konnte, worum es sich handelte, war das Ding verschwunden. Unmittelbar darauf blinkte bei dem Servoroboter, der noch immer auf den Befehl wartete, den Tisch zu decken, jenes Lämpchen auf, das eine Funktionsstörung anzeigte.
»Zeit zu gehen«, sagte Clorus. »Übliche Reihenfolge?«
Der hässliche Zwerg bejahte. Er trat zu seinem angeblichen Onkel, und sofort lösten beide sich in Luft auf.
*
An diesem Punkt erkannte Pino Simoneschi, dass er ein toter Mann war. Bis hierher hatte er sich an die Hoffnung geklammert, dass es Lydia Rossi ernst mit der Aussage gewesen wäre, er könnte die Sache einigermaßen heil überstehen.
Ein scheinbar harmloser Flirt, der gründlich in die Hose gegangen war. Ein sehr übellauniges, gewalttätiges Kind mit Greisenantlitz – gut, das eine ließ sich mit missverstandener Koketterie, das andere mit einer seltenen, exotischen Krankheit erklären.
Aber jemand, der Dinge verschwinden zu lassen vermochte, auch sich selbst und einen Zweiten dazu – so jemand war ganz bestimmt kein harmloser Gönner lemurischer Traditionsvereine.
»Ihr braucht mir nichts vorzumachen«, sagte Pino heiser. »Ihr werdet mich umbringen, nicht wahr?«
»Tja, blöd gelaufen. Tut mir leid für dich«, sagte Lydia Rossi. Ihre Anteilnahme hielt sich allerdings hörbar in Grenzen. »Du hättest gehen sollen, als ich dich dazu aufforderte. Wir hätten wirklich nur deinen Roboter benötigt.«
»Wer seid ihr?«
»Ach komm, jetzt wird's melodramatisch. Dieses Wissen würde dir ohnehin nichts mehr nützen.«
Ein letztes Mal mobilisierte Pino seine Verführungskünste. Der Augenaufschlag mit nachfolgendem Dackelblick hatte noch nie seine Wirkung verfehlt. »Du kannst mich doch nicht dumm sterben lassen.«
»Oh doch, du wirst lachen: Das kann ich. Und jetzt halt die Klappe.«
*
FÜNF TODESOPFER NACH BRANDKATASTROPHE IN LUXUSHOTEL
Am späten Vormittag des 1. September ereignete sich im Croesus Terrania, Ecke Roi-Danton-Boulevard und Monol-Allee, eine verheerende Explosion, die mehrere Räume in Schutt und Asche legte. Ersten Untersuchungen zufolge dürfte die Ursache in der Fehlfunktion eines Servoroboters gelegen haben, wenngleich zur Stunde noch ungeklärt ist, wie es zu der enormen Hitzeentwicklung kommen konnte.
Obwohl keinerlei organische Spuren blieben, muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sich zum Zeitpunkt des Unglücks eine vierköpfige tefrodische Familie in der betroffenen Suite aufhielt, zusammen mit dem lang gedienten, überaus beliebten Butler des Hauses. Die Hotelleitung sprach ihr tiefstes Bedauern aus und kündigte für den Abend eine Trauerfeier an.
Der Restaurant- und Kasinobetrieb wird durch die Aufräumungsarbeiten nicht gestört.
5.
Böses Erwachen
Severin Fock hatte sich an den tatsächlich hervorragenden Tapas delektiert, danach wie ein Stein geschlafen, und zu Mittag war er schon wieder in der Kantine der Startac-Schroeder-Klinik.
Diesmal aß er in Gesellschaft. Mit ihm am Tisch saßen Muaz Riocourt, ein zweiundzwanzigjähriger, hoffnungsvoller Telekinet, und dessen zwei Jahre ältere, ebenfalls parabegabte Schwester Shadin.
Die drei kannten einander von gemeinsamen Sitzungen im TIPI. Seve mochte Muaz recht gern. Allerdings fand er Shadin noch um einiges sympathischer; und hübscher überdies.
Damit war er beileibe nicht der Einzige im Raum. So viele Blicke ruhten immer wieder auf ihr, dass Seve sie permanent von allen Seiten bewundern konnte. Die blonden Locken, die wohlgeformten Brüste, die schlanke Taille ... An der Frage, ob sie zu alt für ihn war oder fünf Jahre Unterschied doch nicht so viel ausmachten, brütete er seit Längerem.
Allseits herrschte blendende Stimmung. Auch Severin fühlte sich prima.
Er kannte den Grund dafür: Shadin Riocourt. Nicht nur, weil sie so hübsch war, sondern wegen ihres eigenartigen Psi-Talents.
Die Wissenschaftler bezeichneten sie als Euphorikerin.
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