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2721 – Der Paradieb

2721 – Der Paradieb

Titel: 2721 – Der Paradieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Perry Rhodan
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Sie konnte mit ihrer Parakraft überschwänglich gute Laune verbreiten, auch in den unpassendsten Situationen. Eine verrückte Gabe, wie sie selbst sagte, kaum sinnvoll zu gebrauchen.
    Jedenfalls amüsierten sich alle rundum prächtig. Dabei ging es Muaz, wie er gerade zu erzählen begonnen hatte, momentan eigentlich alles andere als gut. »Etwas stimmt nicht mit meinem Hirn.«
    »Und ich dachte, ich wäre derjenige, der auf den Kopf gefallen ist«, versuchte Severin den Kameraden aufzumuntern. »Im Ernst, was meinen die Ärzte?«
    »Sie rätseln über die bislang unbekannte Krankheit. Wer weiß, vielleicht werde ich ja berühmt: der erste Mensch, der am Riocourt-Syndrom zugrunde gegangen ist. Tot, weil er zwei und zwei nicht mehr zusammenzählen konnte.« Muaz lachte, wenngleich mit aufgesetzt wirkender Heiterkeit.
    »Wird schon wieder werden«, sagte Severin. »Wir sind jung, so etwas kann sich bei uns noch auswachsen.«
    »Dein Wort ins Ohr des Schicksals.«
    Shadin rutschte auf dem Stuhl hin und her. »Ich müsste zur Toilette.«
    »Dann geh!«, sagte Muaz. »Bevor dir eine Peinlichkeit zustößt.«
    Sie hob die entzückend geschwungenen Augenbrauen und schaute ihren Bruder forschend an.
    »Keine Sorge, die paar Minuten halte ich schon durch.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Klar. Oder soll ich dich aufs Damenklo begleiten?«
    »Das würde dir so passen.« Shadin stand auf und ging. Treffender ausgedrückt: Sie entschwand – was zahlreiche Kantinenbesucher durchaus bedauerten.
    Severin wunderte sich zwar über den letzten Wortwechsel, trotzdem setzte er das Gespräch fort. »Das ist alles? Du kannst dir manche Zahlen nicht mehr vorstellen? Klingt nicht sehr schlimm.«
    »Fast alles«, sagte Muaz. Mühsam beherrscht schaute er zur Tür, durch die seine Schwester verschwunden war. »Es gibt da noch ... Verzerrungen in meiner Wahrnehmung der Welt.«
    »Hä?«
    »Entstellungen. Seit zwei, drei Wochen droht für mich alles in eine Art ständigen Albtraum abzurutschen. Deshalb weicht mir Shadin kaum mehr von der Seite.«
    »Sie stabilisiert dich?«
    »Ja. Zum Glück holt ihr Talent, Euphorie zu verbreiten, mich immer wieder zurück. Shadin allein hindert mich daran, ganz in die Albtraumwelt abzurutschen. Den Ärzten ist es leider bislang nicht gelungen, einen künstlichen Ersatz für ihre Gabe auszuknobeln. Sie könnten mich höchstens medikamentös ruhig stellen, soll heißen betäuben, aber damit wäre nichts gewonnen.« Er stützte sein Kinn auf die verschränkten Hände.
    Severin kämpfte mit sich und verlor. Er konnte einfach nicht widerstehen.
    Konzentriert wendete er sich Muaz zu. Dessen Gedankenbilder entpuppten sich in der Tat als Horror. Er hatte Angst, fürchtete sich vor den Wänden, die ihn belauschten und leise, aber eindringlich beschimpften. Seine Füße versanken in schmatzendem Schlamm, und der Tisch schlang nässende, ätzende Ranken um seine Schenkel.
    Lauernde Gestalten umgaben den armen Muaz Riocourt, boshafte Fratzen, die sich hinter den Gesichtern der anwesenden Terraner und Außerirdischen verbargen. Sogar Severin selbst erschien bestialisch entstellt wie ein mordlüsternes Monster.
    Schockiert zog er sich zurück. Er konnte nicht verhindern, dass er dabei aufstöhnte.
    »Du hast gelauscht«, sagte Muaz gequält. »Oder geguckt, wie immer du das nennst.«
    »Ertappt. – Verflixt, Alter ... Das ist wahrlich nicht lustig.«
    »Eben war es besonders übel.«
    »Hast du das in einem fort?«
    »Mal mehr, mal weniger. Die Eierköpfe suchen fieberhaft nach einer Therapiemöglichkeit.«
    Ein Taschentuch schwebte wie von selbst aus Muaz' Hosentasche empor und wischte die Tränen aus seinen Augenwinkeln. Vielleicht wollte er damit beweisen, dass er zumindest seine telekinetische Fähigkeit noch beherrschte.
    Schlagartig wich die Anspannung, als Shadin zurückkehrte. »Alles lotrecht, Bruderherz?«
    »Ja doch.«
    »Achtung, eine Durchsage. Severin Fock möge bitte Professor Bouring aufsuchen. Am selben Ort wie letzte Nacht.«
     
    *
     
    »Ihr habt es gehört. Ich will ihn nicht warten lassen.« Severin Fock erhob sich, spießte die letzte Olivaper auf, schob sie sich in den Mund und sagte kauend: »Macht's gut, Leute. Haltet mich auf dem Laufenden!«
    Der Junge war ein wenig linkisch, aber gerade das gefiel Shadin an ihm; dazu seine altersuntypische Ernsthaftigkeit. Und, wenn sie ehrlich war, vor allem die verschmitzten Grübchen unter seinen Wangenknochen, wenn er sie anlächelte.
    »Nicht so schnell.«

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