2725 - Preis der Gerechtigkeit
Würde es für Gador-Athinas ab dem dreizehnten Oktober noch ein Leben geben? Eine Möglichkeit, so zu leben wie früher?
Oder würde er für immer in diesem Kloster der Geschädigten bleiben, weil Vetris am Ende selbst dann siegte, wenn er tot war? Weil alle Widerständler ständig die Rache irgendwelcher Überlebenden fürchten mussten? War dann die Gesellschaft von Kopfnickern, Haarräucherern und Kieselsteinflüsterinnen der einzige Ort, an dem er noch leben konnte?
So frustrierend der Gedanke einerseits war, musste Gador-Athinas dennoch unwillkürlich lächeln. Selbst als sie nackt gewesen war, hatte Khaika nicht nur ihn, sondern auch den Kieselstein umklammert. Es war ein Bild, das er vielleicht nie wieder aus dem Kopf bekommen konnte.
Aber mit einiger Wahrscheinlichkeit war es das schönste Bild der vergangenen Jahre. Und ganz sicher das schönste der nächsten Tage bis zum Moment des Attentats.
Der zwölfte Oktober.
Das Datum hämmerte in seinem Kopf.
Der zwölfte Oktober.
Irgendwann, endlich, kam der Nachmittag und damit die Zeit, an der er Kelen-Setre wieder treffen würde. Er verließ seine Klause, ging über die Wiese, hinein in den dunklen Raum.
Diesmal war er der Erste, und ihm blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Lange.
Zu lange.
Die Minuten zerflossen, der Zeitpunkt des Treffens zerrann.
Kelen-Setre kam nicht.
Warum?
An diesem Ort, in der Dunkelheit, allein mit seinen Gedanken, kam Gador-Athinas nicht auf schöne Antworten auf diese Frage. Ihm fielen nur Möglichkeiten ein wie: Kelen-Setre wurde enttarnt und hingerichtet. Agenten der Gläsernen Insel holten alle Informationen aus ihm heraus, und gleich wird das Kloster in Feuer und Tod vergehen.
Ja, in der Dunkelheit schienen noch ganz andere Dinge möglich, von Atemzug zu Atemzug erschienen sie logischer. Was, wenn Kelen-Setre von Anfang an ein Verräter gewesen war? Wenn das alles nur ein Spiel war, um ...
Es knackte in der Finsternis.
Der Schreck jagte schmerzhaft durch Gador-Athinas' ganzen Körper.
In der Dunkelheit bewegte sich etwas. Nicht eine Gestalt, sondern zwei.
Agenten der Gläsernen Insel. Mit Waffen in der Hand. Wie würden sie ihn wohl töten? Rasch, mit einem Strahlerschuss? Oder lautlos und effektiv, mit Klingen, die ...
»Gador«, sagte Kelen-Setre. »Entschuldige die Verspätung. Ich komme nicht allein.«
Zu zweit traten sie in eine der Lichtinseln. Neben Kelen-Setre stand jemand, der ein tiefblaues Kapuzengewand trug. Der Stoff hing sackartig über dem Körper, dessen Konturen nicht zu erahnen waren. Nur eins konnte Gador-Athinas mit Sicherheit sagen: Die Gestalt war groß, sicher zwei Meter, vielleicht einige Zentimeter mehr. Die Kapuze hing weit über die Stirn, kaschierte das Gesicht – doch nicht nur sie. Ein optisches Verzerrerfeld lag davor.
»Ich bin der Junker«, sagte eine Stimme, die ebenso gut von einem Mann wie von einer Frau oder einer Positronik stammen konnte. Zugleich begriff Gador-Athinas, dass auch die Größe leicht manipuliert werden konnte. Buchstäblich jeder konnte unter diesem Gewand stecken.
»Der Junker«, wiederholte Gador-Athinas. Nicht gerade die intelligenteste Äußerung, die ihm jemals über die Lippen gekommen war. Aber – der Junker? Der oberste Leiter des innertefrodischen Widerstands? Dieser Mann hatte eine geradezu legendäre Stellung inne. Es gab nicht wenige, die seine Existenz überhaupt bezweifelten.
»Ich bin gekommen, um deine Fragen zu beantworten. Und um dir zu versichern, dass dir und Schechter meine tiefste Wertschätzung und mein absolutes Vertrauen gehören.«
»Danke«, sagte Gador-Athinas tonlos.
Der Stoff der Kutte reflektierte das auffallende Licht; es war, als würde ein winziger Strahlenschauer davon ausgehen. Als der Junker einen Schritt näher kam, legte sich auf diese Weise ein terranischer Heiligenschein über seinen Kopf.
»Und nun«, sagte die neutrale Stimme, »reden wir über den Tod des Tyrannen Vetris-Molaud.«
5.
Pläne hier, Pläne da
»Also«, sagte Oc Shozdor, als sie sich wieder einmal im Kabinett trafen; viel zu häufig in letzter Zeit, dachte Vetris-Molaud. »Hier der aktuelle Stand. Der Ort für den Staatsakt steht inzwischen fest. Alles ist geprüft, und die Möglichkeiten für ein ausgereiftes Sicherheitssyst...«
»Wo?«, unterbrach der Tamaron.
Die Scheren eines Skorpions kratzten über die Innenwand eines der Aquarien, während für einige Sekunden sonst völlige Stille im Raum herrschte.
Der
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