2725 - Preis der Gerechtigkeit
Geheimdienstchef sah einen Augenblick lang wütend aus, doch diese Emotion verschwand sofort wieder aus seiner Haltung und seiner Mimik. Er lächelte, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht.
»Über dem Thorm«, sagte er. Der Thorm war die Landzunge, die die Gläserne Insel, das Hauptquartier des Geheimdienstes, mit dem Festland verband. »Du wirst auf einer mobilen Schwebeplattform stehen, natürlich bestens geschützt und von anderen Plattformen umgeben.«
»Klingt nach einem Spektakel«, sagte Vetris.
»Das wird es sein«, versicherte sein Gegenüber.
Mit einem Klacken fiel ein Technoskorpion aus der Oberkante seines Aquariums auf den Boden und huschte auf Vetris zu, umschwirrte seinen Sessel, als würde er fliegen, und verharrte schließlich auf der Schreibtischplatte. Vetris nahm es nur beiläufig wahr, einer oder mehrere der Skorpione umgaben ihn fast immer.
»Ich kann dir später Genaueres berichten«, sagte Shozdor. »Wir haben für die Medien natürlich einiges vorbereitet. Vorher allerdings müssen wir über mögliche Bedrohungen sprechen.«
»Du hast alles im Griff?«, fragte Vetris.
Shozdors Lächeln verbreiterte sich. »Selbstverständlich. Dennoch gibt es Hinweise auf ein geplantes Attentat. Oder genauer gesagt gibt es mehrere mögliche Attentate.«
Alles andere hätte Vetris auch als persönliche Beleidigung angesehen. »Ich höre.«
»Ich habe den Flottenchef Miris Gesver und seinen Stellvertreter Maruc-Schenessar in den Stern von Apsuma beordert«, sagte Shozdor. »Sie sollten anwesend sein, wenn wir darüber sprechen. Dein Einverständnis habe ich vorausgesetzt.«
Vetris wandte sich an die Positronik, fragte, ob die beiden Militärs das Regierungsgebäude bereits betreten hatten. Die Antwort fiel positiv aus. »Die hohen Gäste sind bereits im Stern unterwegs in Richtung Kabinett, Tamaron. Sie durchlaufen gerade die letzte Sicherheitskontrolle. Die Abtastung bestätigt ihre genetische Identität. Ich kann sie nun passieren lassen.«
»Kommt es mir nur so vor«, fragte Shozdor, »oder ist die Positronik heute etwas geschwätzig?«
»Es kommt dir nur so vor«, versicherte Vetris-Molaud.
Keine Minute später betraten die beiden Neuankömmlinge den Raum.
Miris Gesver, der militärische Leiter der Flotte im Heimatsystem, galt als knallharter Stratege. Seine körperlich geringe Größe machte er durch sein Auftreten sofort wett. Vetris hatte nie jemanden kennengelernt, der sich Gesvers Autorität hätte entziehen können; von ihm selbst und vielleicht auch Oc Shozdor abgesehen.
»Tamaron«, sagte der Flottenchef ehrerbietig. Ein gerade mal kopfgroßer Schweberoboter begleitete ihn wie immer; die Positronik darin empfing ständig sämtliche Funksprüche der Flotte im Helitas-System und analysierte sie nach automatischen Suchalgorithmen. »Ich danke dir für die Gelegenheit, an diesem Gespräch teilzunehmen.«
Der Tag, an dem du mir sagst, wie sehr es dich ärgert, dass du mich sehen musst, wird zweifellos nie kommen, dachte Vetris. Und darum nenne ich dich geschwätzig.
Gesver blieb für ihn undurchschaubar, wie er sich eingestehen musste. An der Loyalität des Flottenchefs gab es dabei keinen Zweifel. Die Gläserne Insel hatte sein Leben bis in den letzten Winkel durchleuchtet. Vetris wusste über ihn ebenso alles wie über den zweiten Besucher.
Gesvers Stellvertreter Maruc-Schenessar war hochgewachsen und trug lange weißblonde Haare zur Schau. Der junge Mann hatte sein viertes Lebensjahrzehnt gerade erst begonnen und galt vielen als Emporkömmling, der zu jung war, um in einer solch hohen Position zu dienen. Er selbst sah es gelassen, an allen anderen vorbeizuziehen – Neider gehörten eben dazu, pflegte er zu sagen. Die Kunst war nur, diejenigen herauszupicken, die sich wirklich für einen freuten, und schon hatte man seine echten Freunde gefunden.
Sein Studium der Militärgeschichte und -strategie lag erst fünf Jahre hinter ihm; er hatte Tefors Militärakademie nicht nur als Jahrgangsbester, sondern als Bester seit mehr als zwanzig Jahren verlassen. Medienvertreter rissen sich um Interviewtermine mit ihm; Außenstehende bescheinigten ihm die sanften Gesichtszüge eines Dichters, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass er für gewöhnlich knallhart und skrupellos vorging. Sonst hätte er sich niemals auf dem Posten als Miris Gesvers Stellvertreter halten können.
Auch von Maruc-Schenessar nahm Vetris diverse Ehrerbietungen entgegen. Dabei verkürzte er das
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