2727 – Am Gravo-Abgrund
sagte die Worte voll Überzeugung. Obwohl Pri wusste, dass das nur eine Lüge sein konnte, dachte sie darüber nach.
»Ja, ihr habt richtig gehört: den Feind. Für die LFT sind die Onryonen eine Bande von Mördern und wir, die Lunare Menschheit, ihre Komplizen. Deshalb wollen sie uns ebenso wie die Onryonen vernichten. Über die Gründe der LFT kann ich nur spekulieren. Möglicherweise befürchtet die LFT, dass wir die Dinge anders darstellen würden. Dass wir der Milchstraße die Wahrheit über die Onryonen bezeugen würden, die bekanntlich alles andere als kriegerisch oder konfrontativ sind.
Jedenfalls stand die LFT-Flotte bereit, Luna mit schwerem und schwerstem Kaliber anzugreifen. Die Onryonen befanden sich in Alarmbereitschaft. Ihre Flotte hätte sich wehren müssen – und Nachschub gibt es nicht allein auf Luna. Ein schreckliches Blutvergießen wäre die Folge gewesen, unter Onryonen und Terranern.«
Antonin machte eine Pause.
In Pris Gedanken rotierte es. Nachschub nicht nur auf Luna? Wo sonst? Was ging eigentlich da draußen vor? So sicher sie wusste, dass sich die LFT niemals gegen die Lunare Menschheit richten würde, so unsicher war sie, was auf der anderen Seite des Repulsor-Walls geschah.
Ein galliger Geschmack lag in ihrem Mund. Würde sie den Repulsor-Wall fallen sehen? Oder würde er sie überdauern und noch dort oben sein, wenn ihr Körper zu Asche verwehte?
»Bitte, glaubt mir«, sagte Antonin Sipiera. »Dies war mit Abstand die schwerste Entscheidung in meinem Leben. Auch ich habe gehadert. Doch ich kam zu einem Entschluss. Die Onryonen haben den Mond in Bewegung gesetzt, um einen schrecklichen Krieg zu verhindern. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, ich hätte genauso gehandelt.
Ich unterstütze die Onryonen voll und ganz bei ihrem Plan, Luna und seine Gesamtbevölkerung aus der Schusslinie zu nehmen. Mit diesem Transfer wird bewiesen, dass der Mond jetzt und in Zukunft nur noch eine Mission erfüllen wird: Frieden in der Milchstraße zu stiften.
Was Terra angeht, ist der Planet schon einmal jahrelang ohne Luna ausgekommen, nach dem Transport aus der Anomalie. Den Terranern wird es wieder gelingen. Wir müssen an uns denken und an unsere Verantwortung. Der Frieden innerhalb der Milchstraße geht vor, denn ohne ihn kann es weder uns noch Terra langfristig geben.«
Die Übertragung endete. Als das Bild wechselte, stellte Pri mit einem Sprachbefehl den Ton ab.
»Der Frieden geht vor«, echote sie. Am liebsten hätte sie sich gesetzt, doch die Schwäche dauerte nicht lang. Wut fegte sie zur Seite. »Was für eine Scheiße!«
Mehrere Umstehende zuckten unter dem ungewöhnlich heftigen Ausruf zusammen.
Pri war es egal. Trotzdem war ihr klar, dass sie – die Anführerin – die Nerven behalten musste. Sie atmete tief ein und hielt den Atem einige Sekunden an, ehe sie weiteratmete.
Raphal Shilo trat zu ihr. Das Entsetzen im Raum war greifbar. »Pri, das ist eine Lügengeschichte!«
»Natürlich ist es das.« Pri zwang sich, ruhig zu sprechen.
Die anderen nickten. Zum ersten Mal seit Angh Pegolas Trauerfeier schlugen Pri Verständnis und Mitgefühl entgegen. So traurig Pri über Antonins erneuten Verrat war, sie genoss die Anteilnahme. Zumindest stand sie nicht allein, sondern war Teil eines Ganzen.
»Das Problem ist: Es klingt plausibel. Der Lunare Resident ...« Pri hielt kurz inne. Nein, sie würde ihn nie wieder Vater nennen. Nicht einmal denken wollte sie das Wort. »Er wird viele auf seine Seite ziehen.«
»Wir müssen etwas tun!«, verlangte Errest Coin.
Gut zwei Dutzend Augenpaare richteten die Blicke erwartungsvoll auf Pri.
Sie lächelte, aber innerlich fror sie. »Das werden wir. YLA und Fionn Kemeny haben einen Plan ausgearbeitet. Wir werden die Onryonen aufhalten.«
*
Toufec folgte Pri, Errest Coin, Raphal Shilo, Shanda und Kemeny in eine Ecke der Halle. Die anderen Widerständler sahen ihnen neugierig zu, hielten jedoch Abstand.
Pri drehte sich zu ihnen um. Sie sprach leise und schnell. »Wir gehen vor wie besprochen. Toufec und Shanda dringen in Iacalla ein. Ich habe eine Idee, wohin ihr Woytrom bringen könnt. Ihr erhaltet ein Datenpaket mit sämtlichen Informationen.«
»Shanda und Toufec?«, fragte Coin. »Die beiden? Das ist zu wenig. Sie brauchen kampferprobte Hilfe.«
Pri hob das Kinn. »Das ist entschieden, Errest. Toufec wünscht es so, und ich bin dafür. Außer einem Fahrer oder Piloten wird niemand die beiden begleiten. Nach Iacalla gehen sie zu
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