2727 – Am Gravo-Abgrund
Shanda, Toufec und Quinta Weienater mit einem viersitzigen Gleiter auf, den Pazuzu in einen Schutzschirm hüllte. Weienater agierte dabei als Pilotin und würde sie in der Nähe der Stadt absetzen. Danach musste sie ohne Pazuzus Schutz auf Umwegen nach Luna City zurückfliegen und auf die gute Tarnung des Gleiters vertrauen. Sollte sie den Gleiter aufgeben müssen, blieb ihr der SERUN.
Shanda war zufrieden, dass Toufec auf diesen Vorschlag eingegangen war und sie sich auf dem langen Weg über das Mare Nectaris ausruhen konnte. Auch wenn sie kaum Schlaf fand, tat es gut, die Augen zu schließen.
Sie passierten den Schwarzen Palast in weitem Abstand. Shanda setzte sich neben Quinta in die Pilotenkanzel, während Toufec hinter ihnen schlief, die beiden hinteren Pneumositze zu einem vereint. Er schaffte es sogar, leise zu schnarchen. Ein wenig beneidete ihn Shanda um seine Nerven.
Von der Seite betrachtete sie Quinta Weienater. Die Attentäterin sah erholt aus. Sie genas von ihren schweren Verletzungen. Obwohl Quinta dünn war und sich die Gesichtshaut über den Knochen spannte, bewegte sie sich voll Energie. Dabei machte ihre Ausstrahlung einen dunklen Eindruck, der gut zu dem Technogeschwür passte, über das sie dicht am Boden dahinflitzten.
Shanda überkam jedes Mal ein Schauer, wenn sie länger über die grün schimmernde Oberfläche blickte. Wie eine alles erstickende Kruste lag die Haut aus Metall über dem Mondboden. Selbst die Lichtphänomene und die bunten Farbschleier hinter dem Repulsorwall lenkten nicht von der bedrückenden Stimmung ab.
Auf der ewig metallenen Weite ragten schroffe Erhebungen auf, kerbten Abgründe in die Tiefe, umrahmt von Gebilden, die wie überdimensionierte Insektenbeine in die Höhe stachen. Alles um Shanda sah krank aus: Türme, Säulen, Klüfte.
Der Anblick der Nichtlandschaft machte Shanda noch nervöser, als sie ohnehin schon war. Jeder Flugkilometer erinnerte sie an die Gefahr, in die sie sich in Iacalla begeben würde.
»Wie ist es, wenn man reisen kann, wohin man will?«, fragte Quinta unvermittelt.
Shanda blinzelte. »Du meinst ohne einen Repulsorwall?«
»Du weißt, was ich meine. Frei sein. Keine Grenzen haben. Das All sehen. Und nicht verschaukelt werden von irgendwelchen goldäugigen Emotträgern mit miesem Modegeschmack.«
»Nun – in grauer Vorzeit wussten die Menschen nicht einmal, dass es andere Planeten gab ...«
»Red keinen Unsinn. Ich will nicht dein Mitleid. Ich will eine ehrliche Antwort. Wie ist es da draußen?«
Shanda dachte an Terra und das Stardust-System, in dem sie geboren worden war. »Wunderschön. Ich wünschte, ich könnte es dir zeigen. Den Fluss, die weiten Auenwiesen, den Wind und die Sonne über Aveda. Auch Terrania ist eine Reise wert.«
Ob sie Terra je wiedersehen würde? Sie hatte gewusst, worauf sie sich eingelassen hatte, als sie mit Toufec und Fionn Kemeny auf Luna geblieben war. Dennoch hatte sie Zweifel, seit sie mit Luna auf dieser Hyperindifferenzspur rollten.
»Was denkst du, warum uns keiner befreit? Hat Rhodan uns vergessen?«
»Nein. Er kann es nicht. Hätte er es gekonnt, er hätte es längst getan.«
Quinta blickte auf die grüne Metallkruste. »Es wird zu spät sein. Egal, wann es geschieht. Es ist längst zu spät.«
»Sag das nicht. Euer Kampf ist nicht sinnlos.«
»Euer Kampf. Du sagst es. Obwohl du mit Toufec nach Iacalla gehst, wirst du nie verstehen, was es bedeutet, eine Gefangene zu sein.«
Shanda spürte einen Stich, beschloss aber, Quinta die harten Worte nicht übel zu nehmen. Über Leid wusste sie eine ganze Menge. Angefangen vom Verlust ihrer Eltern über zahlreiche unerfreuliche Etappen in ihrem Leben.
»Ich weiß wirklich nicht, wie du gelitten hast, Quinta. Jeder Schmerz ist anders. Aber was es heißt, gefangen zu sein, weiß ich.«
Sie erinnerte sich an dunkle Zeiten, in denen ihre telepathischen Fähigkeiten dafür gesorgt hatten, dass sie in sich selbst eingesperrt gewesen war. Es hatte Momente gegeben, in denen sie nicht sicher gewesen war, ob sie den Weg zurück zur Oberfläche der Realität fand.
Quinta lächelte schmallippig. »Du bist schon okay, Shanda. Es ist nur ...«
Sie schwieg, als hätte sie Angst, dass sie zu viel sagen könnte; dass sie das kollegiale Verhältnis sprengen würde, das Shanda und sie verband, und das mit seinem Abstand in gewisser Weise professionell war.
Ein peinliches Schweigen entstand.
»Es gab zu viele Opfer«, sagte Shanda. »Ich muss keine Gedanken
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