2728 – Die Gravo-Architekten
eventuell über die Steuerimpulse in das künstliche System eingreifen.«
»Eingreifen in ein System aus vier Neutronensternen, die uns jederzeit um die Ohren fliegen können? Es ist also eine reine Verzweiflungstat?« Die Blauhäutige erinnerte in diesem Moment mit ihrer sarkastischen Stimme überhaupt nicht mehr an YLA.
»Es ist eine Chance.«
Jena Tirig trat vor. Ihre Wangen hatten sich dunkel verfärbt. »Das reicht. Diese Präsentation ist beendet.«
Kemeny war es recht, dass die zierliche Weißhaarige die Fäden an sich riss. Er fühlte sich erschöpft, und er wusste, dass noch jede Menge Arbeit vor ihm lag, ehe die Sonde nach Dhalaam-Delta aufbrechen konnte.
9.
Pazuzus Traum
Pri tauchte den Löffel in das Eis vor sich, führte ihn zum Mund und schmeckte der Süße nach, die ihre Zunge benetzte. Heidelbeereis. Es gab allein im Luna Cara, dem Café, in dem sie saß, acht verschiedene Sorten davon.
Ihr Blick ging über die Terrasse, vorbei an den wenigen anderen Besuchern und hin zum River Mercer, der träge am Café vorbeifloss. Drei Rosensträucher am Ufer waren entlaubt. Der Einbruch der Gravokräfte hatte sie Blätter und Blüten gekostet.
Hinter Pri ragte in etwa zwanzig Metern Entfernung eine der Säulen auf, die das Techno-Geflecht gebildet hatte, um die Panzertroplonkuppel zu unterstützen. Ansonsten erinnerte äußerlich nichts an den Schrecken, der sie bedrohte. Trotzdem nahm Pri ihn wahr.
Die Lunarer verhielten sich anders als sonst. Auf dem Weg zum Café hatte Pri eine Frau kollabieren sehen, die eine Panikattacke bekommen hatte, als sie ein rotes Kleid betrachtete. Die Menschen gingen gebückter, machten sich klein. Der ohnehin schnelle Gang der Stadtbewohner war noch zügiger geworden. Wie verängstigte Nagetiere huschten sie von Haus zu Haus.
Es gab auch andere Extreme. Keine fünf Meter entfernt saß eine Dreiergruppe auf einem Ausruhblock zwischen verwelkenden, entwurzelten Blumen, die sich küsste, als gäbe es kein Morgen.
Pri lehnte sich in dem bequemen Sessel zurück und genoss es, zwar in Maske, aber nicht direkt bedroht zu sein. Der Status quo schützte sie. Zum ersten Mal seit Jahren konnte sie sich frei in Luna City bewegen – ohne die Angst, verhaftet zu werden. Ein sonderbares Gefühl.
Eine Kellnerin kam zu ihr. »Brauchst du noch etwas?«
»Nein danke!« Pri musterte die schlaksige junge Frau, kaum älter als achtzehn. Vermutlich war das Café ein Familienbetrieb, der auf Servoroboter verzichtete.
Die Kellnerin berührte ihr blondes Haar, lächelte zaghaft und enthüllte dabei eine schmale Lücke zwischen zwei Schneidezähnen. »Danke, dass du gekommen bist. Die meisten gehen nicht mehr aus den Häusern.«
»Sie haben Angst.«
»Das brauchen sie nicht. Die schaffen das schon.«
Pri umklammerte den Löffelstiel. »Wer? Die Onryonen?«
»Nein. Rhodans Leute. Sarmotte, Kemeny und dieser Toufec. Ein süßer Kerl, oder? Eine Dattel zum Anbeißen. Das muss man sich mal vorstellen, dass der aus der Vergangenheit kommt. Und dann diese Wundermaschine, die er hat. Die wird uns retten.«
Pri entdeckte Raphal Shilo auf der gegenüberliegenden Straßenseite, legte den Löffel ab und hob die Hand zum Winken. »Meine Verabredung kommt. Lässt du uns bitte allein?«
»Klar.« Die Blonde lächelte noch breiter, nahm Pris leeren Eisbecher mit und verschwand im Innern des Cafés.
Pri schüttelte leicht den Kopf über die Aussage der jungen Frau. Toufec und zum Anbeißen. Vielleicht, wenn man auf mumifizierte Exporte stand.
Was Pri freute, war der Stimmungswandel in der Stadt, soweit es den Widerstand betraf. Inzwischen war durchgesickert, dass eine Drittmacht an der Strandung Lunas im Dhalaam-System verantwortlich war. Das entlastete den Widerstand und machte die Sabotage verständlicher.
Raphal Shilo setzte sich zu ihr, kurzärmlig und dunkel gekleidet wie immer. Zwar trug er eine Maske, doch er hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Tätowierung auf seinem Oberarm zu verdecken. Der stilisierte Tiger war gut sichtbar.
Pri fand das nachlässig. Auch wenn sie derzeit keine Verhaftung fürchten mussten, galt es doch, den Widerstand zu schützen. Sie selbst suchte die Keimzelle in der Beer & Mädler-Universität seit zwei Tagen nicht auf, weil sie fürchtete, unter Beobachtung zu stehen. Sogar auf die Besuche bei ihrem Therapeuten hatte sie verzichtet, der ihr sonst geholfen hatte, ihre Gedanken zu sortieren.
Raphal zog ein kleines, rechteckiges Gerät aus der Tasche und
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