2728 – Die Gravo-Architekten
Bewusstsein der Vergänglichkeit lebt, fürchtet nichts so sehr wie eben diese Vergänglichkeit. Das heißt doch, er fürchtet nichts so sehr wie sich selbst und seine Eigentümlichkeit.«
»Das mag ja sein, aber wie ich schon versucht habe zu vermitteln: Lunas Sturz auf den Neutronenstern ist ein Unfall. Wir bitten euch um Hilfe.«
»Abgelehnt. Wir haben durch euch keine Kollision zu befürchten. Luna wird vergehen. Meine Gebieter werden dadurch keinen Schaden nehmen. Die Bastion ist geschützt, von daher ist Hilfe irrelevant.«
»Für deine Gebieter vielleicht. Aber nicht für die Wesen, die auf Luna leben.«
»Ich bin bereit, dir entgegenzukommen und das mobile Konzept intakt zu halten. Es könnte ein amüsanter Zeitvertreib sein.«
»Die Sonde? Aber ...« Es fiel Shanda schwer, ruhig zu bleiben. »Die Sonde ist unbelebt. Ich spreche von Milliarden Individuen, denen der Tod droht.«
»Das Leben an sich wird überschätzt.« Der Chi wandte sich ab und kehrte in die Tesserakt-Siedlung zurück. Die Sonde setzte ihm nach, jagte über dreidimensionale Schatten, überflog die immer gleiche Ebene – doch mit jeder Bewegung auf den Kustos zu, entrückte der umso rascher.
»Warte!« Shanda schlug ihre Gedanken wie Krallen in die des rätselhaften Chi. So leicht würde er sie nicht abschütteln.
12.
Transmitteralarm
Raphal Shilo entfernte sich immer weiter von der Gruppe, die in den Pneumosesseln vor der Holosphäre saß. Onryonen und Lunarer begafften das Ding, das wie ein X aussah. Wenn Mathieu Cort recht hatte, war die Mission nichts anderes als ein groß angelegter Betrug.
Und selbst wenn nicht – Toufec war ersetzbar geworden. Die Replika funktionierte. Es gab keinen günstigeren Zeitpunkt als diesen, um Toufec aus dem Verkehr und damit aus der Reichweite der Onryonen zu ziehen. Und zwar wortwörtlich.
Auf Mathieus Geheiß hatte Raphal Pri zu Teilen eingeweiht und sie überredet, die Transmitter aufstellen zu lassen. Vermeintlich zum Schutz.
Raphal schlich auf einen der Transmitter zu, den er präpariert hatte. Hektisch versicherte er sich, dass ihn niemand beobachtete, vor allem nicht Khelay. Dann installierte er das Programm von Cort. Es dauerte nur wenige Minuten. Ohne zu zögern, löste Raphal die geplante Aktion aus und umfing Toufec mit dem Traktorstrahl. Toufecs Körper löste sich vom Pneumosessel.
»Was soll das?« Die Stimme Toufecs durchbrach die Konzentration der Versammelten. Nur Shandas Augen blieben geschlossen. Die Telepathin schien sich in einer tiefen Trance zu befinden.
Der Traktorstrahl hob Toufec an und bewegte ihn auf den Transmitter zu. In weniger als einer Minute würde Toufec an einem sicheren Ort sein, bei Mathieu Cort. Gleichzeitig zog Raphal die primitive Betäubungswaffe aus seinem Ärmel und schoss auf Toufecs Gesicht. Pazuzu war zwar beschäftigt, doch Raphal wusste sehr gut, dass ihm der Nanodschinn gefährlich werden konnte, wenn Toufec dessen Namen aussprach.
Während Pri verwirrt aufsprang, Kemeny aussah, als habe man ihm in den Magen geboxt, und Kanzler Hannacoy sich wie in Zeitlupe auf die altersschwachen Beine stemmte, kam Toufec dem Transmitterkäfig näher. Sein Gesicht war gelähmt. Drei Meter trennten ihn noch von der Luke, da gellten weitere Schreie in Raphals Ohren, die ihn aus dem Konzept brachten.
Es waren Pri und Kemeny, die schrien. Shanda erhob sich wie ferngesteuert. Toufec dagegen wurde langsamer.
Raphal suchte nach einem Grund für diese plötzliche Veränderung. Hatte er einen Fehler begangen? Und warum zog der Traktorstrahl an Kemeny, Pri und Shanda, obwohl er auf Toufec eingestellt war?
Khelay. Das war die Antwort, sosehr sie Raphal im ersten Augenblick verwirrte.
Der onryonische Kommandant stand an einem anderen Transmitter und bediente das Panel mit der grimmigen Entschlossenheit eines Feuerleitoffiziers. Er hatte Shanda, Toufec, Pri und Kemeny in einen Traktorstrahl gehüllt, der sie zu seinem Transmitter zog.
Beide Geräte arbeiteten mit Höchstleistung daran, die Beute einzuholen.
Raphals Gedanken rasten, wie die Sonde vor wenigen Stunden durch die Abschussvorrichtung gerast war.
Khelay spielte falsch. Er musste die Entführung dieser vier genauso von langer Hand vorbereitet haben wie Raphal Toufecs. Ohne ein Zusatzprogramm war der Vorgang unmöglich.
Mathieu Cort behielt recht. Den Onryonen war nicht zu trauen.
Shilo richtete den Strahler auf Khelay. »Ich wusste es! Du dreckige Raummade!«
*
Ein Ruck riss Shanda aus
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