2728 – Die Gravo-Architekten
unvorstellbare Entfernung, doch dank Pazuzu und den Strukturschleusen im energetischen Mantel sah Shanda klare Bilder.
»Sie meint, es sind Eingänge, die in den Neutronenstern führen.«
»Eingänge?« Kemeny atmete scharf ein. »Schlote! Vielleicht ein Weg zur Gravo-Bastion.«
Die Sonde schien das ähnlich zu beurteilen. Sie tauchte in einen Schacht, der nur eine Winzigkeit breiter war als sie selbst, hinein in das Innere von Dhalaam-Delta.
11.
Die Herren von Dhalaam
Bonthonner Khelay beobachtete Raphal Shilo. Seine Hand lag auf dem Strahler unter der Gewandfalte. Der Mensch hatte irgendetwas vor. Er behauptete, den Kurzstreckentransmitter zu überprüfen, aber er brauchte dazu ungewöhnlich lange. Seit Minuten stand er am externen Primär-Kontrollpanel und gab irgendetwas ein, während die anderen ganz in die Reise des Gravo-Tauchers vertieft waren.
Khelay ging unauffällig auf den Transmitter zu. Er trat hinter Shilo und versuchte zu erkennen, was der Lunarer machte. Da erklang ein hohes Fiepen an seinem Kommunikationsgerät.
Raphal Shilo drehte sich zu ihm und lächelte auf eine Weise, die seine Augen nicht berührte. Es wunderte Khelay, dass der Mensch überhaupt die Lippen bei seinem Anblick nach oben verzog statt nach unten. »Möchtest du ebenfalls eine Überprüfung des Geräts vornehmen, Khelay?«
»Nein. Das haben unsere Techniker gemacht. Ich möchte, dass du vom Transmitter fortgehst. Du hast daran nichts zu suchen.«
»Wie du willst.«
Khelay wandte sich ab. Er ließ Shilo stehen und entfernte sich ein Stück.
Er hatte eine Nachricht von Satheki erhalten. Sie war aufgewacht. Nach drei Tagen des Ringens konnten die Mediker endlich mit Gewissheit sagen, dass sie überleben würde.
Khelay stützte sich an der Wand ab. Er brauchte einen Moment für sich. Mit geschlossenen Augen und glühendem Emot wartete er, bis er sich gefasst hatte.
Nach einer Weile fühlte er sich wieder ausgeglichen genug, seine Arbeit fortzusetzen. Er ging zum Kontrollpanel und überprüfte die Einstellungen. Er konnte keine Veränderung durch Raphal Shilo feststellen. Mit einem unguten Gefühl betrachtete er den Menschen, der nun wieder auf seinem meergrünen Sessel saß. Bisher hatte er nicht herausgefunden, was Shilo vorhatte.
Auf dem Holo erkannte Khelay die Sonde, die sich durch eine skurrile Umgebung vorarbeitete. Er trat näher an die Gruppe um Shanda Sarmotte heran. Dabei behielt er Raphal Shilo im Auge.
*
Die Sonde flog weiter, durch den Schacht, der um Winzigkeiten breiter war als sie selbst. Ein dunkler, mystischer Körper vor einer kristallinen Struktur.
Shanda fragte sich, ob es so im Inneren eines Zuckerwürfels oder Kristalls aussah. In der Darstellung NATHANS wirkte die Umgebung symmetrisch wie das Synapsenpriorat, und doch hatte sie gleichzeitig etwas Fantastisches an sich. Es fiel Shanda schwer, dieses Gefühl zu ergründen. Während im Synapsenpriorat die Landschaft maschinell und tot wirkte, erschien ihr die kristalline Struktur so beseelt wie die Sonde, die ihren Weg immer tiefer fortsetzte, in einen Abgrund, der sich in Dunkelheit verlor.
Verrückt, dass diese irrwitzige Tiefe in Wirklichkeit keine zehn Meter waren.
Je länger die Sonde unterwegs war, desto mehr veränderte sich die Umgebung. Zu dem Festen kam das Flüssige. Schwebende Seen umspülten die Eisenatomkerne. Sie weiteten sich aus, wurden zu Meeren aus Neutronenflüssigkeit.
NATHAN zeigte eine starke Druckerhöhung an.
Die materieprojektive Sonde sank mitten hinein, folgte einem Weg entlang zweier Gewässer, die silbern schimmernd wogten. Shanda verlor sich in den Bewegungen der Neutronenflüssigkeit, ließ sich gefangen nehmen von der Schönheit, mit der NATHAN das Unverständliche in Bilder formte.
Irgendwo bei fünfhundert Metern veränderte sich die Umgebung erneut. Die Replika schien auf einer endlosen Ebene zu stehen. Der Horizont war unendlich weit entfernt. Ein Himmel war nicht sichtbar.
Shanda blinzelte. Absurderweise gab es da etwas, das sich hinter dem Horizont bewegte. Der Eindruck eines Horizonts, der keiner war, und von diesem Etwas, das dahinter aufragte, brachten Shandas Augen zum Tränen. Sie bemühte sich, zu begreifen, was da war. Aber weder ihre Netzhäute noch der Verstand spielten mit.
»Tesserakte«, murmelte Kemeny.
Shanda wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und konzentrierte sich auf die Gebilde, auf die Kemeny verwiesen hatte. Sie ähnelten entfernt Bauwerken. Ihre Konstruktion
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