274 - Die dunkle Seite des Mondes
Damon begriff den Sinn dahinter nicht. Nach und nach gewann er den Eindruck, dass sich hier etwas abspielte, von dem er nicht die geringste Ahnung hatte.
Andererseits war er nur ein kleiner Techniker, dem das Oberkommando sicherlich nicht alles erzählte.
»Hey, willst du hier festwachsen?«, hörte er Rics Stimme in seinem Helm.
»Was? Nein, nein, ich habe mich nur von dem Anblick fesseln lassen.«
Die Mondstation lag fünf- oder sechshundert Meter vor ihnen. Mit weiten Sprüngen hüpften sie auf die Hauptschleuse zu, während sich hinter ihnen die Ladeklappe der CARTER IV schloss.
Fünf Marsianer waren an Bord des Raumschiffs geblieben. Henry Braxton hatte zwar anfangs angeordnet, dass sich die komplette Besatzung auf den Weg machen solle, doch dann hatte Curly, der Soldat, widersprochen. Wenn es sich tatsächlich, wie von Braxton vermutet, um eine Invasion von der Erde handelte, durften sie das Schiff nicht unbeaufsichtigt zurücklassen.
Damon hätte schwören können, dass der Kommandant in diesem Augenblick innerlich fluchte. Aus irgendeinem Grund hätte er die gesamte Crew offenbar lieber beisammen gehabt. Als auch Curlys Kollegen Moe und Larry zustimmten und im Arzt Waltar Rejo Shang einen weiteren Befürworter fanden, beugte sich Braxton der Argumentation.
Deshalb waren der Kopilot Lyran Gonzales, Glenn Gerber von der Ortung, Navigator Branos Ted Angelis und der Soldat Moe an Bord der CARTER IV geblieben. Sehr zu Damons Unmut hatte sich auch Samantha Gonzales freiwillig als Schiffshüterin angeboten.
Zu zehnt waren sie nun also zur Station unterwegs. Braxton hatte darauf bestanden, neben ihm und Ric auch die anderen drei Techniker mitzunehmen. Die Ärzte Waltar Rejo Shang und Calora Stanton und die Soldaten Curly und Larry vervollständigten den Trupp.
Bei jedem Sprung war Damon erleichtert, dass die Raumanzüge so hervorragend ausbalanciert waren. Aus dem Archiv der CARTER I wusste er, dass die Erdmenschen bei ihrer ersten Mondlandung beinahe mehr Zeit auf ihrem Hosenboden oder ihren Knien verbracht hatten als auf den Beinen, weil sie so häufig stürzten.
Sie erreichten die Schleuse und betraten einer nach dem anderen den Ring aus Modulen, der die Hauptkuppel umspannte. Den Packschlitten ließen sie draußen stehen. Ihn würden sie entladen, wenn sie wussten, was davon sie brauchen konnten.
Auch in den Gängen und Räumen des Rings kam ihnen kein Marsianer entgegen. Das Licht brannte, die Kontrollmonitore in den Wänden zeigten normale Werte. Strahlenbelastung, Sauerstoffgehalt der Luft, alles im grünen Bereich. Die Station wirkte wie immer - wenn man davon absah, dass die Besatzung sie offenbar verlassen hatte. Aber das war völlig unmöglich! Schließlich stand das Shuttle draußen. Wohin sollten also alle gegangen sein? Auf einen kleinen Betriebsausflug auf der anderen Seite des Mondes?
Unwillkürlich musste Damon an das Tachyonenecho denken, das sie geortet hatten. Sollte da ein Zusammenhang be-?
»Was ist das denn?« Einer der Techniker bückte sich und hob etwas auf. Auf offener Handfläche präsentierte er es Braxton.
»Ein Stein.«
Damon stutzte. Normalerweise wurden Ordnung und Reinlichkeit in der Mondstation ganz groß geschrieben. Die Schleusentore, die Schotts zu den Notkabinen, die Computer, die Luftaufbereitungsanlage - alles hochsensible technische Einrichtungen, vor denen man den Mondstaub fernhalten wollte, so gut es ging. Und in einer solchen Umgebung sollte plötzlich ein Stein auf dem Boden liegen?
Bereits hinter der nächsten Gangbiegung machten sie eine weitere Entdeckung. Und die war ungleich merkwürdiger.
Auf dem Boden lag ein Overall aus synthetisierter Spinnenseide, wie ihn die Crew innerhalb der Mondstation trug. Doch in ihm steckte kein Marsianer, sondern ein ganzer Haufen kleinerer und größerer Brocken jenes hellen Gesteins. An einigen Stellen wies der Stoff Löcher oder Schnitte auf.
»Was ist hier geschehen?«, fragte Calora Stanton. »Warum hat die Crew Mondgestein mit Hilfe eines Overalls hier hereingeschleppt?«
Waltar Rejo Shang deutete auf die kleine Kamera an der Decke, die den gesamten Gang im elektronischen Auge behielt. »Genaueres werden wir erfahren, wenn wir die Aufzeichnungen auswerten.«
»Er hat recht«, sagte Braxton. »Lasst uns weitergehen. Wir müssen zur Zentrale.«
Einige Minuten später erreichten sie die Kuppel. Auch hier fehlte von der Besatzung jede Spur. Aber sie sahen auf den ersten Blick, warum die Funkverbindung zum Mars
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