274 - Die dunkle Seite des Mondes
durch das Wohnzimmer gleiten und für Sekunden glaubte Chandra, er sehe ihr direkt in die Augen.
»Dich brauchen wir nicht mehr«, sagte er zu Alix, der noch immer benommen auf dem Boden kniete.
Dann brach er ihm mit einer kaum nachzuvollziehenden Bewegung das Genick.
***
In der Mondstation
Damon ging diese verdammte Hose nicht mehr aus dem Kopf. Wie die bekleideten, steinernen Beine einer marsianergroßen Puppe. Oder einer Statue. Aber das ergab keinen Sinn. Die Einrichtung der Station war zweckmäßig, nicht künstlerisch. Hier existierte kaum Zierrat wie Bilder oder Skulpturen. Wo also kam das Ding her? Und wieso sollte ihm jemand eine Hose anziehen?
Hinter Damons Stirn brodelte noch eine andere Idee, die jedoch so unerhört war, dass er sich weigerte, sie zu Ende zu denken. Auch wenn sie erklären würde, warum einerseits die Steinbeine so lebensecht gewirkt hatten und andererseits von der Besatzung der Mondstation noch immer jede Spur fehlte - zumindest jede Spur, die man erwarten durfte.
»Wir erreichen gleich die Schleuse«, sagte Braxton.
Er führte die Vierergruppe an, die sich auf den Weg zum Shuttle gemacht hatte. Ein Lichtsignal auf einer Konsole in der Zentralkuppel hatte ihnen gezeigt, dass die Schleuse des Andockmoduls offen stand. Allerdings präsentierten die Monitore dieses Stationssegments nur Bilder, die an einen Sandsturm erinnerten. Im Gegensatz dazu empfingen sie auf den anderen Schirmen deutliche Überwachungsbilder: Labormodul, Mannschaftsquartiere, Gemeinschaftsraum, Notbuchten zur Flucht bei plötzlichem Sauerstoffabfall - sie alle konnte man über die Monitorwand einsehen. Nur der Bereich um das Andockmodul blieb tot.
Leider gelang es ihnen nicht, auf die aufgezeichneten Kameradaten zuzugreifen. Der Unbekannte, der in der Zentrale seine rohen Kräfte hatten walten lassen, hatte nicht nur das Funkgerät zertrümmert. Auch andere technische Geräte, Rechner, vereinzelte Bildschirme oder Speicherbausteine waren ihm zum Opfer gefallen - wie auch der Archivserver. Also hatte der Kommandant beschlossen, mit Damon, dem Soldaten Curly und dem Arzt Waltar Shang selbst nachzusehen, ob sie beim Shuttle herausfanden, was auf der Station geschehen war.
Damon konnte nicht mit dem Finger auf etwas Konkretes deuten, aber auf ihn hatte Braxton bei dieser Entscheidung nicht den Eindruck großer Sorge erweckt. Viel eher war er Damon genervt vorgekommen, als passe ihm die Entwicklung gar nicht in den Kram und halte ihn von Wichtigerem ab.
»Verstanden«, antwortete Rics Stimme aus dem Helmfunk. Tatsächlich erfolgte die Kommunikation natürlich nicht über die Helme, die sie nicht wieder aufgesetzt hatten, sondern über Mikrofone und Lautsprecher in der Halskrause des Raumanzugs.
»Wie geht die Reparatur der Anlage voran?«, wollte Braxton wissen.
Diesmal erklang die Stimme eines Technikers im Helmfunk. »Wir haben gerade einige Ersatzteile vom Packschlitten geholt. Die Funkanlage dürften wir recht schnell flott bekommen, weil wir sie ohnehin komplett austauschen müssen. Die Bildübertragung könnte größere Probleme machen. Wir arbeiten daran. Gute Nachrichten, was den Archivserver angeht. Der Hauptspeicher ist intakt, nur die Leseeinheit ist zerstört. Wir werden ihm seine Geheimnisse sicher entlocken können.«
»Sehr gut. Sollte die Funkanlage wieder laufen, bevor wir zurück sind, will ich trotzdem der Erste sein, der mit dem Mars Kontakt aufnimmt. Ist das klar?«
»Aber zu Hause wollen sie bestimmt wissen, was…«
»Ist das klar?« Das Eis in Braxtons Stimme ließ keinen Widerspruch zu.
»Natürlich. Wie Sie wünschen.«
Schließlich erreichten sie das Modul. Vor der offenen Ausstiegsluke des Shuttles blieben sie stehen. Die Kameras hingen nur noch an einzelnen Drähten von der Decke. Sie erinnerten Damon an welke Pflanzen. Der Zerstörer hatte auch vor ihnen nicht Halt gemacht.
»Ab hier übernehme ich die Führung!« Curly holte seinen Dual-Neutralisator aus dem Beinhalfter seines Raumanzugs und schob sich an Braxton vorbei.
Nacheinander drangen sie in die kleine Schleuse vor.
Sie waren noch keine zwei Schritte weit gekommen, da hörte Damon den Soldaten aufstöhnen. Dass er es gleichzeitig vor sich und aus dem Helmfunk vernahm, verlieh dem Ganzen eine gespenstische Note.
Damon wollte fragen, was los sei, doch da sah er es selbst.
»Ich denke, wir haben die Besatzung gefunden«, sagte Shang. Die Stimme des sonst so zum Plaudern aufgelegten Arztes klang belegt.
Vor ihm in
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