276 - Die Genesis des Arthur Crow
könne man sich daran verletzen. »Vielleicht bin ich eine Wahnsinnige, die dich in ihre Höhle gelockt hat, um dich zu massakrieren… Wäre das in deinem Sinn?«
Er grinste schief. »Wohl eher nicht.«
Sie nickte. »Dann lass uns lieber über den wahren Schrecken sprechen.«
Er blieb vor dem schrulligen Möbel stehen, das sie ihm als Sitzgelegenheit anbot. »Und der wäre?«
»Die Veränderten.«
***
»Wen oder was meinst du mit ›die Veränderten‹« Ohne dass er eine Erklärung dafür hatte, brachte die bloße Betonung der alten Frau seine Nackenhärchen zum Sträuben.
»Liegt das nicht auf der Hand? Hast du dich in den vergangenen Tagen nicht selbst hier und da über etwas gewundert?«
»Wenn es auf der Hand läge, würde ich nicht fragen.«
Grey schien darüber durchaus im Zweifel zu sein. »Ich spreche von den Männern, Frauen und dem Kind, die versteinert und wieder in Menschen aus Fleisch und Blut rückverwandelt wurden.«
»Wenn du sie meinst, waren sie verändert. Eben klang es aber, als -«
Sie unterbrach ihn, als hätte sie Sorge, dass ein allzu weitschweifiges Diskutieren ihre noch verbleibende Lebenszeit auffressen könnte. »Sie sind verändert, seit sie versteinert waren - darum geht es, junger Mann! Und tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich spreche.«
»Ich weiß es aber wirklich nicht«, erklärte Matt, obwohl seine Gedanken automatisch in Richtung Ivee gingen.
»Gelogen!«
»Was -«
»Ich kann in dich schauen, Jüngelchen. Ich sehe, wenn du lügst. Dann wechseln die Farben.«
»Du siehst Farben in mir?«
»Überwiegend Grautöne.« Sie schniefte, aber offenbar erheiterte sie der Wortwechsel… bis sie sich besann, dass auch das ihre Lebenszeit verschwendete.
Matt hegte ähnliche Gedanken. »Kommen wir zur Sache«, sagte er. »Was willst du wirklich von mir, wie kann ich dir helfen? Falls ich das kann.«
»Ihr seid weit herumgekommen, du und Aruula. Ihr habt viel gesehen und erlebt. Und du besitzt das alte Wissen . Darum wende ich mich an dich.«
»Ich fühle mich geschmeichelt. Aber…«
Grey unterbrach ihn. Ihre Stimme hob sich. »Der dunkle Zauber, der die Menschen befallen hatte, wirkt immer noch nach! Was lastet auf den ehemals Versteinerten, was hat sie so… verdreht?«
»Verdreht?«
Grey erklärte, was sie damit meinte. Offenbar gab es unter den Männern zwei, die sich vor der Versteinerung Spinnefeind gewesen waren. Doch seit sie wieder ins Leben zurückgeholt worden waren, schienen sie die besten Freunde zu sein.
»Und das verstehst du unter Schrecken ?«, fragte Matt erstaunt.
»Für mich ist es erschreckend«, erwiderte sie. »Ich kenne die beiden seit Kindesbeinen. Ich kannte sie noch bis vor kurzem ganz anders .«
»Aber wenn sie sich verändert haben, dann doch offensichtlich nicht zu ihrem Nachteil.«
Grey schüttelte den Kopf. »Du verstehst es nicht - oder willst es nicht verstehen.« Sie seufzte. »Nun, ich lebe nicht mehr lange. Mich wird es nicht betreffen. Aber irgendetwas wurde in Gang gesetzt, und mein Näschen…«, sie tippte sich gegen den runzligen Zinken, »… hat mich selten getäuscht. Veränderungen sind nie gut. Jeder, der das behauptet, wiegt sich nur in falscher Sicherheit. Warst du schon mal verliebt, Junge?«
»Ich bin es.«
»Ich meine, vor Aruula.«
»Ich hatte eine Frau, in meinem… früheren Leben. Wir haben uns getrennt. Irgendwann ist die Liebe erkaltet.«
»Du hast doch eine Tochter.«
»Von einer anderen Frau«, erwiderte Matt und dachte: Herrje, wenn ich das erklären soll, wird es kompliziert.
Anns Mutter, Jennifer Jensen, hatte er zwar sehr gemocht, aber nie geliebt. Sie war eine Staffelkameradin gewesen und nach dem Zeitsprung in Berlin abgestürzt. Sie hatte ihr Gedächtnis verloren und war zur Königin eines Amazonenstammes aufgestiegen - und als er, Matt, dort auftauchte, war dies für die Frawen ein Himmelszeichen gewesen und die Vereinigung der beiden ein Gebot der Götter. Aus dieser kurzen, erzwungenen Liaison war Ann hervorgegangen. [4]
»Liebst du deine Tochter?«, drang Greys Stimme in seine Gedanken.
»Ann? Natürlich liebe ich sie!« Was die reine Wahrheit war, auch wenn sie kein Kind der Liebe war.
»Und es gab nie Zeiten, da du dir gewünscht hättest, alles wäre noch wie früher - du und diese Frau und deine Tochter Ann als unverbrüchliche Einheit?«
Nein. Diese Momente hatte es nie gegeben, denn seit er in diese postapokalyptische Welt geraten war, liebte er allein Aruula. Er sorgte
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