279 - Der Fluch von Leeds
verstehen. »Lauf zu Rulfan!«, flüsterte Matt heiser. »Hol Rulfan! Lauf!« Und tatsächlich löste Chira ihren Kopf aus Matts Händen, machte kehrt und sprang davon.
Gleichzeitig zerrissen gellende Schreie die Stille. Erschrocken fuhren Matt und Aruula herum. Die Schreie kamen von der Lichtung in seinem Rücken. Es war Xijs Stimme! »Agartha!«, schrie sie. »Agartha!«
Matts Magen zog sich zusammen. Jeden Augenblick würde das ganze Lager auf den Beinen sein. »Schnell, zurück zum Unterstand!«, raunte er.
Er kroch als Erster durch das Dickicht zurück ins Lager. Schon stürmten vor ihm Pipaas und bellende Colleys vorbei. Glücklicherweise war Chira schon weit genug entfernt. Er selbst und Aruula waren dagegen noch lange nicht in Sicherheit.
Das wurde ihm spätestens klar, als unvermittelt ein Fausthieb seine Schläfe traf. Mit einem Schmerzensschrei kippte er wie eine gefällte Eiche zur Seite. Sterne tanzten vor seinem Gesichtsfeld, bevor die Welt um ihn herum in Dunkelheit versank.
Als er wieder zu sich kam, hockte Feetch mit einem Dolch in der Hand rittlings auf ihm. Weiter hinten sah Matt Aruula. Zwei der geharnischten Krieger hielten sie fest. Daneben standen Baatle und Xij mit versteinerten Mienen.
Matt ächzte. Der schwere Körper des Hundeführers raubte ihm den Atem und sein Kopf schmerzte, als würde er von Hämmern bearbeitet. »Runter von mir«, keuchte er.
»Den Teufel werd ich. Habt wohl gedacht, ihr könntet mich hinters Licht führen und fliehen. Ist es nicht so, frage ich dich. Ist es nicht so?« Bei jedem Wort pochte das Narbengesicht mit seinem spitzen Finger gegen Matts Brustbein.
Wütend bäumte Matt sich auf. »Nimm deine verfluchten Griffel von mir!« Doch ihm fehlte die Kraft, sich zu wehren. Er sah, wie Feetch den Dolch hob. Vorbei , dachte Matt.
Er irrte sich. Plötzlich war Xij da und umklammerte das Handgelenk des Pipaa-Führers. »Nimm dir, was du willst, aber nicht sein Leben! Nicht sein Leben, hörst du.«
»Warum nicht, du Wicht?« Aufgebracht befreite er sich aus ihrem Griff.
»Weil du mir im Wort stehst, du Sohn einer Wisaau. Im Wort stehst du mir.«
Mit einem Satz stand Feetch auf den Beinen. Packte Xij beim Kragen und schüttelte sie. » Ich hab mein Wort gehalten. Die beiden nicht! Du wirst sie nicht immer verteidigen können. Nicht immer, sag ich dir.« Keuchend stieß er sie zu Boden. Dann wandte er sich an Baatle. »Und du sorg dafür, dass deine sauberen Weltrat-Abgesandten nicht mehr auf dumme Gedanken kommen. Nagle sie in den Bretterverschlag oder leg sie in Eisen. Was auch immer: Wenn einer von ihnen noch einmal im Lager herumstreunt, töte ich ihn. Ich schwör's. Töten werde ich ihn!«
***
Leeds
Fletscher saß satt und halbwegs zufrieden vor seinem leeren Teller in der Bunkerkantine. Ihm gegenüber wischte sich Elizaa Doopt mit einer Serviette über die schön geschwungenen Lippen. Seit über einer Woche folgte ihm die kühle Blondine auf Schritt und Tritt. Er wusste immer noch nicht genau, ob er diesen Umstand verfluchen oder begrüßen sollte. Einerseits war es ihm dadurch bisher nicht gelungen, die Verhältnisse im Bunker ungestört auszuspionieren, andererseits genoss er die Begleitung der hübschen Frau.
Darüber hinaus tröstete sie ihn auch über die ständige Abwesenheit der kleinen Ann hinweg: Wie Klebstoff hing das Mädchen an den Rockzipfeln von Allison und O'Donel und verbrachte ohne die beiden keine Sekunde im Bunker. Der Major hatte sich inzwischen damit abgefunden. Nicht zuletzt wegen Elizaa. Die Sympathie für die einstige Geliebte war wieder erwacht. Umgekehrt leider nicht. Noch nicht , dachte Fletscher, den Elizaas Ablehnung nur noch mehr anspornte, sie für sich zu gewinnen.
Heute wirkte sie ein wenig nervös. Mit unruhigen Blicken beobachtete sie ihre Umgebung und fuhr bei jedem ungewohnten Geräusch zusammen. Im Augenblick faltete sie zum dritten Mal ihre Serviette.
»Was ist los mit dir?«, wollte Fletscher wissen.
»Nichts. Ich frage mich nur… willst du nicht vielleicht doch mit deinen Leuten nach Leeds zurückkehren… jetzt, wo die Reparaturarbeiten am EWAT so gut wie beendet sind?«
»Das sind nicht meine Leute. Meine Leute sind hier.« Der Major lehnte sich grinsend zurück. »Klingt fast so, als würdest du dir Sorgen um mich machen.«
»Red keinen Blödsinn. Warum sollte ich?«
Fletscher wurde ernst. »Sag du's mir, Elizaa!«
Wütend warf die Leibgardistin ihre Serviette auf den Teller. Ihre rehbraunen Augen
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