28 - Im Lande des Mahdi II
da wir ja keinen Feind hinter uns haben. Es wäre nur der eine Nachteil zu befürchten, daß Ibn Asl uns entkommen könnte.“
Wir setzten den Weg in der angedeuteten Weise fort. Ich ging allein voraus, und die andern folgten mir in der angegebenen Entfernung. Als ich die ersten Gafulbäume passiert hatte, bog der hier nun ganz schmal werdende Weg scharf nach rechts ab, denn die bereits erwähnte Bucht des Sumpfes begann hier an dieser Stelle. Sie trat von links her weit in den Felsen hinein. Dieser stieg senkrecht empor und bildete, um mich so ausdrücken zu dürfen, einen halben Hohlzylinder, an dessen Wand der Fuß eines Menschen unmöglich zu haften vermochte. Zu meiner linken Hand lag der Sumpf, vollständig mit Omm Sufah bedeckt, zwischen welcher einzelne freie, ölig glänzende Wasserstellen wie triefende Hexenaugen zu mir heraufstarrten. Von der oberen Kante der Felsen waren Steine abgebrochen und heruntergestürzt. Sie lagen neben- und übereinander, von feuchtem Moos überzogen oder von verwesenden, stinkigen Pflanzenresten bedeckt, durch oder über welche der oft ausgleitende Fuß nur mit Vorsicht schreiten durfte.
Wer hier von vorn und zugleich von hinten angegriffen wurde, der konnte sich unmöglich wehren, der mußte sich ergeben. Rechts boten ihm die unersteiglichen Felsen keinen Weg zur Flucht, und links gähnte der Sumpf, aus dessen Schilf die widerlichen Köpfe unzähliger Krokodile glotzten. Es war so recht ein Ort des Schreckens, des Verderbens. Also ich allein sollte hier geschont werden, um für noch viel entsetzlichere Qualen aufgehoben zu sein; meine Asaker aber sollten in den Sumpf gedrängt, hineingeschleudert werden, ein Fraß für die Saurier, welche da unten in solcher Menge vorhanden waren, daß es schien, sie könnten nur dadurch das Leben fristen, daß die stärkeren die schwächeren verzehrten.
Wäre es unmenschlich gewesen, wenn ich den Sklavenjägern ganz das gleiche Schicksal bereitete? Wieviel Blut klebte an ihren Händen! Wieviel tausend und aber tausend Neger waren von ihnen unglücklich gemacht worden! Es schien mir, als sei es für sie keine zu harte, sondern nur eine sehr gerechte. Strafe, sie in den Maijeh hinabzustoßen. Wie du mir, so ich dir, das ist das Gesetz der Wüste ebenso wie dasjenige der Prärie, der Savanne, der Pampas und Llanos Südamerikas, und wenn – aber ich konnte diesen Gedanken nicht vollständig ausdenken, denn gar nicht weit von mir ertönte eine laute, gebieterische Stimme:
„Halt, keinen Schritt weiter, sonst schießen wir!“
Ich blieb stehen und blickte scharf nach vorn. Da standen zwei Gafulbäume nebeneinander, und vor denselben lagen einige große Felsstücke, hinter denen drei Männer versteckt sein mußten, denn ich sah ebenso viele Gewehrläufe, welche auf mich gerichtet waren – eine fatale Situation, denn es bedurfte dort nur eines Fingerdruckes, so fuhr mir das tödliche Blei in den Körper.
„Wer bist du denn?“ fragte ich, indem ich tat, als ob ich nur einen vor mir zu haben glaubte.
„Ich bin ein alter Bekannter von dir. Willst du mich sehen?“ antwortete er.
„Natürlich!“
„Lege deine Waffen weg, dann trete hervor!“
„Daß ich ein Tor wäre!“
Ich tat einen Sprung nach dem nächsten Baum, hinter dessen Stamm ich vollste Deckung fand. Diese Leute befanden sich jedenfalls in Verlegenheit. Sie waren zur rechten Zeit hier eingetroffen und warteten auf das Zeichen, welches ihnen der Scheik el Beled hatte geben wollen. Ich war ihnen auf den Leib gerückt; sie konnten mich unmöglich näher kommen oder gar vorüber lassen, und doch hatten sie sich erst dann sehen lassen sollen, wenn der Schuß des Scheiks gefallen war. Was nun tun? Durch Redensarten Zeit gewinnen? Fast schien es so, denn der Sprecher erwiderte:
„Wir können dich leicht zwingen, wenn wir nur wollen; aber du sollst auf friedliche Weise erfahren, was wir von dir verlangen.“
„So sage es!“
„So nicht. Laß deine Waffen zurück, und komm bis zu dem Stein, der mitten zwischen uns liegt! Ich werde dasselbe tun.“
„Gut, ich komme. Aber wenn ich nur die geringste Waffe, das kleinste Messer bei dir bemerke, fährst du dorthin, von wo du nicht wiederkommen kannst!“
Ich steckte die Revolver in die Hosentaschen, lehnte das Gewehr an den Stamm und legte das Messer daneben. Ich hätte die Revolver ruhig zurücklassen können, denn ich war meiner Sache vollständig sicher. Ein Blick nach rückwärts belehrte mich, daß meine Leuten halten
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