28 - Im Lande des Mahdi II
verabredete Zeichen? Warum schießt er nicht?“
„Er kommt noch; er kommt ganz sicher noch! Und wenn er nicht käme, so dürftest du doch nicht triumphieren. Du hast nur zwanzig Mann bei dir, wir aber sind noch über sechzig Köpfe und werden –“
„Nichts werdet ihr, gar nichts! Ihr könnt nichts anderes tun als euch auf Gnade und Ungnade ergeben.“
„Hältst du uns für wahnsinnig?“
„Da ihr so bereitwillig und unüberlegt in meine Falle gelaufen seid, sollte ich euch freilich für unsinnig halten. Aber du gehst mit dieser deiner Frage von einer sehr falschen Voraussetzung aus. Du glaubst, den Rücken frei zu haben; dies ist aber keineswegs der Fall, denn hinter euch steht jetzt der Raïs Effendina mit seinen Asakern.“
„Der – Raïs – Effen – dina?“ stotterte er. „Du lügst!“
„Ich sage die Wahrheit. Und auch ich habe nicht zwanzig Köpfe, sondern viel, viel mehr bei mir. Zwanzig hatte ich erst, und ich habe dir ja gesagt, daß mir gestern abend der Raïs Effendina noch andere Leute mitgegeben hat. Ich fordere dich hiermit auf, die Waffen zu strecken. Wenn du dich dessen weigerst, wird mit euch geschehen, was ihr uns tun wolltet: wir werden euch den Krokodilen vorwerfen.“
„Effendi, was fällt dir ein! Du willst mich durch Lügen –“
„Sei still, und beleidige mich nicht!“ unterbrach ich ihn in strengem Ton. „Ich will die Gnade haben, dir die Wahrheit meiner Worte zu beweisen, damit unnützes Blutvergießen verhütet werde; – Raïs Effendina – Emir –!“
Ich rief diese beiden Namen, indem ich die beiden Hände hohl an den Mund legte, über den Busen des Sumpfes hinüber.
„Hier sind wir, Effendi, hier!“ ertönte die Antwort, und zwar aus viel größerer Nähe, als ich sie zu hören geglaubt hatte.
„Nun?“ fragte ich den Oberleutnant. „Hörst du an dem Schall, daß der Emir nicht zweihundert Schritte von mir steht?“
„War er das?“
„Wer sonst soll es gewesen sein? Mein Ruf hat ihm gesagt, daß ich da bin, und nun wird er vorwärts rücken. Ich rate dir, dich zu ergeben. Du sollst auch meine Leute sehen.“
Ich wandte mich rückwärts und winkte. Da brach Ben Nil mit seinen vierzig Asakern hinter dem Gesträuch hervor und kam schnell herbei. Die Leute hielten ihre Gewehre schußbereit. Zwar mußten sie hintereinander gehen; aber da der Weg einen Bogen machte, brauchten sie sich nicht bloß nach vorn zu richten, sondern konnten ihre Kugeln über den Busen hinüber und zu den Sklavenjägern senden. Als der Oberleutnant diese meine Leute kommen sah, rief er aus:
„O Allah! Das sind ja fast hundert Mann! Ich lasse mich nicht von ihnen erwischen. Effendi, ich gehe, ich gehe!“
Er sprang nach den Bäumen, hinter welchen er gesteckt hatte, und holte sein Gewehr. Dann eilte er noch weiter zurück, gefolgt von den beiden andern, die ihm dort Gesellschaft geleistet hatten. Wir avancierten eine kurze Strecke hinter ihm her, bis ich sah, daß es leidliche Deckung für uns gab. Ich glaubte nicht, daß es zum Kampf kommen werde, dennoch stellte ich meine Leute so, daß sie hinter Steinen, Bäumen oder Büschen möglichst verborgen steckten.
Nun wartete ich, was geschehen werde. Ich war bereit und mußte vorerst erfahren, was auf der Seite unseres Emirs geschah. Der Oberleutnant hatte einen heilsamen Schreck erhalten. Er war von der langen Einzellinie meiner Leute so getäuscht worden, daß er sie für viel zahlreicher hielt, als sie waren. Das konnte mir nur lieb sein. Für je übermächtiger er uns hielt, desto größer mußte seine Besorgnis sein und also auch seine Bereitwilligkeit, sich zu ergeben.
Da hörte ich jenseits des Busens laute Stimmen; die Worte aber, welche gesprochen wurden, konnte ich nicht verstehen. Dann erdröhnte ein Schuß, noch einer, ein dritter und ein vierter. Menschen schrien. Dann wurde es plötzlich wieder ruhig. Eine Viertelstunde verging. Da kam ein Mann um die Krümmung des Weges; er trug die Uniform der Asaker des Emirs. Ich trat hinter dem Baum, an welchem ich stand, hervor. Ich kannte ihn; ein Betrug war unmöglich. Als er mich sah, kam er schnell auf mich zu.
„Die Sklavenjäger haben dich durchgelassen?“ fragte ich voller Hoffnung.
„Ja, Effendi; sie mußten, denn sie haben die Waffen gestreckt“, antwortete er.
„Gott sein Dank! Aber es fielen Schüsse!“
„Der Emir wollte ihnen zeigen, daß wir Ernst machen. Es sind vier von ihnen erschossen worden; dann erst baten die beiden Offiziere um Gnade.
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