28 - Im Lande des Mahdi II
diese den Mann gekannt haben, weiß ich nicht; ich kann sie nicht danach fragen, da sie ohne Besinnung sind.“
„Aber das sind zwei, und dieser Soldat hier, das ergibt drei; ich hatte aber doch befohlen, daß fünf bei den Kamelen sein sollten!“
„Effendi, es sind jetzt ja fünf Mann da!“ meinte der Alte, indem er die Augen niederschlug.
„Fünf?“ zürnte ich. „Jetzt sind in Summa zehn Mann hier; also befinden sich nur zehn, anstatt fünfzehn Personen droben bei den Gefangenen. Was ist das für eine Wirtschaft? Wenn du meinen Anordnungen nicht besser Gehorsam leistest, ist es freilich nicht zum verwundern, daß solche Dinge geschehen. Du bist der älteste der Asaker, aber hätte ich einem Kind den Oberbefehl übergeben, so wären meine Weisungen jedenfalls gewissenhafter befolgt worden. Und diese beiden Männer sollen nur verwundet sein?“
„Ich denke es, Effendi; ich hoffe es, daß sie nur besinnungslos sind und bald wieder zu sich kommen.“
„Habt ihr euch mit ihnen beschäftigt?“
„Schon seit einer Stunde; sie wollen aber trotz unserer Bemühungen nicht erwachen.“
„Das glaube ich wohl. Sieh doch ihre Gesichter an! Das sind hippokratische Züge. Wollen einmal sehen!“
Ich kniete nieder, um die Verwundeten, welche in einer Blutlache lagen, zu untersuchen. Der eine war in den Hinterkopf und der andere in die Brust geschossen. Man hatte ihnen nicht einmal die Jacken geöffnet. Sie waren tot.
„Mensch“, fuhr ich den Alten zornig an, „hast du denn keine Augen gehabt! Diese beiden Leute sind nach den Schüssen, welche sie erhielten, sofort tot gewesen. Und nun will ich wissen, wie dieses Unglück geschehen konnte und wie es geschehen ist!“
„Effendi, frage den, der war dabei!“
Er deutete auf den Soldaten.
„Erzähle!“ gebot ich diesem.
„Herr“, begann dieser zaghaft, „mich trifft keine Schuld; das glaube mir! Wir drei hatten eben die Wächter abgelöst –“
„Ihr drei?“ fiel ich ihm in die Rede. „Also sind es selbst nach der Ablösung trotz meines bestimmten Befehles nur drei Posten gewesen?“
„Ja, aber ich kann nichts dafür.“
„Das weiß ich, denn du warst es ja nicht, der zu bestimmen hatte. Weiter!“
„Also wir drei hatten eben die Wächter abgelöst, als wir einen Mann sahen, der um den Sumpf herum und über die Steppe kam. Seine eiligen Schritte waren gerade auf uns gerichtet; aber als er uns erblickte, blieb er wie erschrocken stehen. Dann kam er langsam auf uns zu.“
„Er war bewaffnet?“
„Ja. Ich stand ihm am nächsten und rief ihn an. Er gehorchte, blieb stehen und kam erst dann vollends heran, als ich ihm die Erlaubnis dazu erteilt hatte.“
„Das war ein Fehler. Entweder durftet ihr ihn gar nicht heranlassen, oder ihr mußtet ihn gefangennehmen.“
„Dieses letztere wollten wir ja auch, und nur darum erlaubten wir ihm, zu uns zu kommen.“
„Fragte er, wer ihr seid?“
„Ja.“
„Und du antwortetest?“
„Ja. Es gab doch keinen Grund, ihm zu verschweigen, daß wir Asaker des Raïs Effendina sind!“
„Es gab wohl Grund, und zwar allen, allen Grund! Du hast da eine Albernheit begangen, welche ganz unverzeihlich ist. Er wollte erfahren, wen er vor sich hatte, um danach seine Antworten und Auskünfte einzurichten. Siehst du das nicht ein? Er war klüger als ihr. Ich muß unbedingt ganz genau erfahren, was geschehen ist; ich muß jedes Wort wissen, was gesprochen wurde, womöglich sogar die Reihenfolge der Fragen und Antworten. Besinne dich also und gib ehrlich Auskunft! Nur dadurch kannst du dir meine Verzeihung, welche du gar nicht verdient hast, erwerben. Also er fragte zuerst was?“
„Wer wir seien. Ich sagte es ihm. Dann wollte er wissen, wo unsere Kameraden seien. Ich wollte es ihm nicht sagen, und da teilte er mir mit, daß er ein Freund des Emir sei.“
„Das glaubtest du?“
„Nicht sofort. Ich war vorsichtig, Effendi, und sagte ihm in das Gesicht, daß seine Worte Lügen seien. Da aber begann er, sehr stolz zu sprechen. Er behauptete, ein Eilbote des Gouverneurs von Karthum zu sein; er sei an den Raïs Effendina abgesandt, um diesem höchst wichtige Befehle zu bringen.“
„Der Gouverneur von Karthum hat dem Emir nichts zu befehlen!“
„Das wußte ich nicht. Er gab sich für einen hohen Offizier, nämlich für einen Mir Alaj (Oberst) aus und sprach in einer so befehlshaberischen Weise zu uns, daß wir ihm Glauben schenken mußten.“
„Mußten? Wenn ein Hund dich anbellt, anstatt demütig zu
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