28 - Im Lande des Mahdi II
noch ein zweiter kommen. Dem Raïs Effendina melde, daß ich wohl nicht sehr lange fortbleiben werde.“
Zwei Minuten später saßen wir im Sattel und ritten nach dem Sumpf, hinter dessen nördlichem Ende, wie wir gehört hatten, Ibn Asl verschwunden war.
Am Wadi el Berd, als ich und Ben Nil den Sklavenjäger auf seinem weißen Kamel verfolgten, hatten wir auf denselben Tieren gesessen, welche wir heute noch ritten. Es war uns damals unmöglich gewesen, die weiße Dschebel-Gerfeh-Stute einzuholen; sie war unseren Tieren noch heute ganz in derselben Weise überlegen. Da wird man nun mit gutem Grund fragen, wie es kam, daß ich dennoch den Versuch machte, Ibn Asls habhaft zu werden. Ich wollte mich einfach nicht auf die unzulängliche Schnelligkeit meiner Kamele, sondern auf meine List verlassen. Ben Nil folgte dem soeben bezeichneten Gedankengang, als er, während wir zunächst langsam nebeneinander herritten, mich fragte:
„Effendi, meinst du wirklich, daß wir Ibn Asl einholen? Denke an damals, als wir ihn am Wadi el Berd verfolgten! Wir saßen auf den schnellsten Hedschihn, welche der Raïs Effendina aufzutreiben vermocht hatte, und doch verschwand Ibn Asl auf seinem weißen Kamel vor uns, wie eine Sternschnuppe hinter dem Horizont verschwindet.“
„Das ist richtig; aber ich will ihn nicht verfolgen, sondern er soll mir in die geöffneten Arme laufen. Ich behaupte, er ist noch hier.“
Bei diesen Worten deutete ich hinaus in die nordwärts von uns liegende Steppe.
„Da wäre er der größte Tor, den ich mir denken kann!“
„O nein! Du hast die Erfahrung gemacht, daß meine Berechnungen, selbst wenn sie einmal kühner als gewöhnlich sind, meist stimmen.“
„Das ist wahr. Ob aber auch die jetzige?!“
„Ibn Asl schwamm schon im Siegesrausch, desto größer wird jetzt seine Enttäuschung sein. Er hat, als er hörte, was geschehen war, oder vielmehr was geschehen sollte, sich nicht in den Kessel des Regenbettes zu seinen gefangenen Genossen getraut; er sah ein, daß er verspielt habe und sein Heil nur in der Flucht suchen müsse. Entkommen konnte er aber nur durch die Schnelligkeit seines Kamels. Es war ihm gestern abhanden gekommen; aber er sah es vorhin hier bei den unsrigen weiden. Da mußte ihm der Gedanke kommen, sich wieder in den Besitz, desselben zu setzen. Es ist ihm gelungen, indem er die Wächter betörte. Auf dem Rücken dieses unvergleichlichen Tieres weiß er sich nun vor jeder Verfolgung sicher, da kein anderer Reiter ihn einzuholen vermag. Aus diesem Grund braucht er es mit der Flucht nicht so eilig zu nehmen, sondern er kann das tun, was ihm nächst der Rettung seiner eigenen Person am meisten am Herzen liegen wird, nämlich nachforschen, was aus seinen Leuten geworden ist. Es liegt ja im Bereich der Möglichkeit, daß sie nicht in unsere Hände geraten sind. In diesem Fall braucht er nicht zu fliehen, sondern kann uns im Gegenteil noch höchst gefährlich werden. Er wird unsere Rückkehr belauschen. Wenn unser Zug zwischen dem Sumpf und dem Berg hervorkommt, um den letzteren nach dem Regenbett hin zu umbiegen, bietet er einen so offenen Anblick, daß ein heimlicher Beobachter sogleich erkennen muß, wie die Verhältnisse liegen.“
„Aber einen heimlichen Beobachter kann es doch da gar nicht geben, weil sich hier niemand verstecken kann.“
„Da täuschst du dich eben. Die offene Steppe bietet ein außerordentlich gutes Versteck, eben weil sie offen ist. Hinter einem Busch oder Baum kann man einen Lauscher vermuten und suchen; sage mir aber mit Sicherheit genau den Punkt, wo ich einen auf der Steppe verborgenen Menschen antreffen werde!“
„Du hast im allgemeinen recht; aber Ibn Asl hat ein weißes Kamel, welches ihn verraten würde.“
„Du ziehst nicht in Betracht, daß es jetzt gefärbt ist.“
„Ja, das hatte ich vergessen. Aber er trägt einen weißen Haïk, den man unbedingt sehen muß.“
„Den zieht er aus.“
„So gibt es aber doch noch einen Einwand, den du mir wohl nicht widerlegen wirst. Wenn er uns beobachten will, muß er doch so nahe herankommen, daß er uns deutlich sehen kann; dann sehen aber auch wir ihn.“
„Ich habe auf der ‚Eidechse‘ ein Schiffsfernrohr gesehen; das hatte er mit, wie ich gestern abend, als ich ihn am Feuer beobachtete, bemerkt habe. Mit Hilfe desselben kann er uns aus einer Entfernung beobachten, welche für unsere bloßen Augen zu groß ist, als daß wir ihn da sehen könnten. Er hat dieses Rohr jedenfalls auch vorhin
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