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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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entkommt er uns.“

„Ich habe nichts dagegen, doch mußt du der Arnauten wegen, die dich nicht sehen dürfen, noch einige Stunden warten. Wenn sie dich bemerken und dann ihren Sangak vermissen, ahnen sie den Zusammenhang. Ich befinde mich zu kurze Zeit hier, um kräftig genug gegen sie sein zu können. Nicht der Mudir hatte bisher hier zu befehlen, sondern sie waren es, welche durch die Angst, die sieeinflößten, regierten. Ich werde sie zähmen, doch geht das nicht so schnell, wie ich es wünschte.“
    „Aber wie willst du es anfangen, daß ich mit Militär absegele, ohne daß die Arnauten es bemerken?“
    „Ich schicke sie fort. Flußabwärts, um Steuer einzutreiben, wozu sie sich mit großen Freuden bereitfinden lassen werden. Ich will den Befehl dazu sofort erteilen.“
    Er entfernte sich durch die Tür, durch welche der Sangak geschafft worden war. Ich ging zu der anderen, wo der Fischer noch stand, mit Ben Nils Anzug auf dem Arm. Mein Gefährte nahm denselben, um sich umzukleiden. Dann setzten wir uns wieder zu den Pfeifen, um rauchend die Rückkehr des Mudirs zu erwarten.
    Während wir so still dasaßen, hörten wir ganz deutlich die Hiebe, welche genau nach dem Takt im Nebenzimmer fielen. Sie wurden erst von einem Stöhnen begleitet, welches nach und nach leiser wurde und dann ganz aufhörte. Das Gefühl, welches ich dabei hatte, ist nicht zu beschreiben. Ich hätte den Mudir hassen mögen und mußte doch einsehen, daß seine eiserne Strenge hier ganz am Platz sei.
    Als er zurückkehrte, nahm er bei uns Platz und brannte sich auch seine Pfeife an. Gesprochen wurde nicht. Er lauschte mit seitwärts gebogenem Kopf auf das klatschende Geräusch, welches mir durch Mark und Bein fuhr. Endlich wurde die Tür geöffnet; der ‚Vater der Prügel‘ steckte den Kopf herein und meldete:
    „Fünfhundert!“
    „Und der Sangak?“ fragte der Mudir.
    „Wird nicht mehr gesehen, o Gebieter.“
    „Fort mit ihm!“
    Der Kopf des Schwarzen verschwand, und ich fragte:
    „So ist der Arnaut tot?“
    „Ja.“
    „Wo wird er begraben?“
    „Im Magen der Krokodile; die plaudern nichts aus. Jetzt wird der Baqquara an die Reihe kommen. Ich habe nach ihm geschickt. Ich versprach dir, ihn in deiner Gegenwart peitschen zu lassen. Dieses Mal bist du doch dabei?“
    „Nein, ich danke.“
    „Es ist nicht so schlimm, wie du denkst, Effendi. Nur dann, wenn der Betreffende nicht wiedergesehen werden soll, wird er so geschlagen, daß er daran sterben muß. Der Baqquara wird seine Hiebe in fünf Raten erhalten und dann zu seinem Stamm zurückkehren.“
    „Ich bitte dennoch um Erlaubnis, fernbleiben zu dürfen!“
    „Zwingen kann ich dich nicht. Horch, es beginnt bereits!“
    Die Schläge waren wieder zu hören, da niemand sprach, mußte ich sie unwillkürlich zählen. Wie lange, wie unendlich lange dauerte es, bis der ‚Vater der Hiebe‘ seine ‚hundert‘ meldete! Und die hatte ein freier Baqquara, ein Verwandter des späteren Mahdi, bekommen! Er wurde in den Kerker zurückgeschafft, um die übrigen vierhundert in vier wöchentlichen Raten ehrlich verabreicht zu erhalten.
    Nun erinnerte ich den Mudir an den Fischer, welcher noch immer auf seine hundert Piaster wartete. Er ließ ihn hereinkommen und fragte ihn:
    „Erwartest du vielleicht, die Prämie zu bekommen, welche ich bekanntmachen ließ?“
    „Wenn deine Güte mir erlaubt, diese Hoffnung zu hegen, so tue ich es, o Gebieter“, antwortete der Mann in demütigem Ton.
    „Meine Güte erlaubt dir nichts. Du hast nichts zu hoffen.“
    „Aber ich habe dir doch den Effendi und auch Ben Nil gebracht!“
    „Sie wären auch ohne dich gekommen. Ich stelle dir die Wahl: Entweder erklärst du, bezahlt zu sein, oder du bekommst fünfhundert. Was ist dir angenehmer?“
    „Herr, ich bin bezahlt!“
    „So kannst du gehen!“
    Der ‚Vater der Fünfhundert‘ war ein Freund der Gerechtigkeit selbst auf die Gefahr hin, unmenschlich zu sein, aber den Beutel zu ziehen, das schien nicht zu seinen Passionen zu gehören. Der beste Mensch hat seine Schwächen! Der Fischer wandte sich zum Gehen, drehte aber unter dem Eingang den Kopf noch einmal um und fragte mich:
    „Effendi, wirst du Wort halten? Ich bin ein armer Mann.“
    „Was ist's? Welches Wort sollst du halten?“ fragte mich der Mudir.
    „Ich versprach ihm, daß er die hundert Piaster bekommen werde“, antwortete ich, indem ich in die Tasche griff.
    „Und da willst du sie ihm geben? Was fällt dir ein? Du bist mein Gast und

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