28 - Im Lande des Mahdi II
Ich habe kein Recht dazu, und wenn ich es hätte, würde ich nichts behalten.“
„Oh, Effendi! Da sind die fünf Pakete; nimm wenigstens eins, nimm zwei!“
Er hielt sie mir hin.
„Ich wiederhole, daß ich nichts nehme.“
„Aber wie soll ich dir deine Güte vergelten? Ich weiß, daß der Mudir sehr zornig auf dich sein wird.“
„Mag er; ich mache mir nichts draus. Sorge nur dafür, daß er nicht etwa deiner habhaft wird.“
„Oh, er wird mich nicht zu sehen bekommen. Ich werde laufen, gleich jetzt laufen und nicht eher ausruhen, als bis ich weit, sehr weit von Faschodah entfernt bin. Allah segne dich! Du bist ein Christ, Effendi; wären doch alle Moslemim solche Christen!“
Er drückte meine Hand an seine Lippen und eilte fort. Es fiel ihm nicht ein, mit uns zurück zu marschieren, und ich nahm ihm das auch gar nicht übel.
Der Aufbruch verursachte dadurch einige Schwierigkeiten, daß Schedid sich sträubte, mitzugehen oder sich fortschaffen zu lassen. Er war zwar gefesselt, besaß aber eine so ungewöhnliche Körperstärke, daß er uns selbst in diesem Zustand zu schaffen machte. Er konnte nur durch Ben Nils Peitsche zur bessern Einsicht gebracht werden; dann gaben wir ihm die Füße frei und banden ihn mittels eines Strickes an den Schwanz eines Kameles. Wollte er sich nun nicht schleppen lassen, so mußte er wohl oder übel laufen. Seine vier Mittäter waren klug genug, sich fügsamer zu zeigen. Die übrigen folgten freiwillig, wie sie es versprochen hatten.
Unser Zug erregte, als wir in Faschodah ankamen, kein geringes Aufsehen. Alt und jung lief uns nach, bis wir hinter der Tür des Mudirgebäudes verschwanden. Als ich dem ‚Vater der Fünfhundert‘ meine Meldung machte, war seine erste Frage nach dem Goldstaub, ganz so, wie ich es erwartet hatte. Wie fuhr er auf, und wie blickte er mich an, als ich ihm mitteilte, wem ich denselben gegeben hatte. Er wurde grob, ja sehr grob und beehrte mich mit verschiedenen Namen, für deren Wiedergabe ich kein Bedürfnis besitze; er rannte gestikulierend im Zimmer umher, blieb endlich vor mir stehen und schnaubte mich an:
„Ich werde diesen Händler holen lassen. Er ist ganz gewiß noch da, wo eure Kamele und Esel untergebracht wurden, zu finden. Ich lasse ihn arretieren; ich sperre ihn ein; er bekommt die Peitsche; ich muß den Goldstaub haben – ich muß! Verstehst du mich!“
„Wenn der Mann aber schon fort ist?“
„So laß ich ihn verfolgen, und wenn ich ihm meine ganze Garnison nachschicken sollte.“
„Und wenn auch das vergeblich ist?“
„So jage ich dich zum Teufel; hörst du, dich!“
„Kommst du dadurch zu dem Gold?“
„Nein, leider nein! Aber ich habe dann doch wenigstens eine Rache, eine – ah, Rache! Dabei fallen mir die fünf raubmordenden Takaleh ein. Wehe ihnen, wenn der Goldstaub nicht zu erlangen ist! Sie sollen es mir büßen, schwer büßen!“
Damit war sein Zorn von mir ab und auf Personen gelenkt, denen es mehr als mir zu gönnen war. Er befahl, die ganze Sippschaft, Schuldige und Unschuldige, einzusperren und auf das strengste zu bewachen, und sandte dann Boten aus, welche den Händler samt seinem Gold herbeischaffen sollten. Ich zog mich in das mir zugewiesene Gemach zurück und ließ mich nicht eher sehen, als bis er mich gegen Abend zu sich rufen ließ. Er war noch immer sehr erregt und knurrte mich an:
„Er ist fort, über alle Berge, dieser Hund, und mit ihm der Goldstaub, welcher in die Kasse der Regierung gehört. Kein Mensch kann erfahren, wohin er sich gewendet hat. Er hat die Esel abgeholt und ist dann verschwunden wie ein Tropfen, welcher in das Wasser fällt. Allah vernichte ihn! Ich werde aber eine Entschädigung haben. Was ich an Goldstaub eingebüßt habe, werden die Takaleh an Schlägen mehr erhalten; das wird mein Herz erquicken und meine Seele beruhigen. Ich habe nach diesen Hunden gesandt, um sie holen zu lassen. Ich will jetzt Gericht halten und du mußt als Zeuge dabei sein. Komm!“
Er führte mich hinab in den Hof, wo sämtliche Takaleh unter militärischer Bewachung aufgestellt waren. Ben Nil und Hafid Sichar waren auch schon da. In einer Ecke stand ein barrenartiges Gestell, dessen Seitenteile durch breite Gurte und schmale Riemen mit Schnallen verbunden waren. Neben demselben lag ein Haufen fingerdicker Stöcke, und daneben saß der ‚Vater der Prügel‘. Dies sagte mir, welchem freundlichen Zweck das Gestell gewidmet sei. Das zahlreich anwesende Publikum nahm über die Hälfte des
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