28 - Im Lande des Mahdi II
erschrocken:
„Ein Krokodil, ein Krokodil! Hebt mich hinein!“
Er befand sich allerdings in größter Gefahr. Ich sprang vom Steuer auf, faßte ihn beim andern Arm, ein Ruck von mir und Ben Nil, und der Bedrohte flog herein in das Boot, welches dabei so ins Schwanken kam, daß es zu kentern drohte. Schon verschwand der Rand unter dem Wasser; da stieß das Krokodil mit dem Kopf gegen denselben, zu unserem Glück, denn das Boot wurde dadurch wieder aufgerichtet. Ben Nil versetzte der Bestie einen Ruderhieb auf die Schnauze, daß es unter der Oberfläche verschwand.
Nun wurde das Boot an dem Stamm befestigt, und wir blieben wohl zehn Minuten lang still sitzen, um zu lauschen. Als sich nichts regte, nahmen wir an, daß der Schrei und die Worte des Negers nicht gehört worden seien, und ich schickte mich an, auszusteigen.
„Nicht du allein!“ flüsterte Ben Nil mir zu. „Nimm mich mit, Effendi!“
Da wir einen solchen Lärm verursacht hatten, hielt ich es für besser, zu zweien zu sein, und erteilte ihm also die erbetene Erlaubnis. Wir stiegen aus, da wo die Ecke des Waldes an das Wasser und an die Mischrah stieß. Ich hatte kein Gewehr mitgenommen und war nur mit dem Messer und den beiden Revolvern versehen.
Sobald unsere Füße den Boden berührten, kauerten wir uns nieder, um abermals eine Weile zu lauschen. Es herrschte das tiefste Schweigen um uns her, und nichts Verdächtiges war zu hören. Eben stieg der Mond über den Bäumen empor und ergoß sich über den freien Raum der Mischrah. Wir konnten dieselbe überblicken. Sie lag so hell vor uns, daß selbst eine darüber hinweghuschende Maus unseren Blicken nicht zu entgehen vermocht hätte. Wir standen also auf, um hinaufzusteigen und zu untersuchen, in welcher Weise der Eingang zur Seribah verschlossen war. Der Verschluß bestand aus starken Pfählen, welche durch sehr dichtes Dorngeflecht verbunden waren, und hatte eine Höhe von gewiß zwölf Fuß.
„Da ist nicht hindurchzukommen, Effendi“, flüsterte Ben Nil mir zu. „Wir müssen umkehren.“
„Es war auch gar nicht meine Absicht, in die Seribah einzudringen“, antwortete ich ihm ebenso leise. „Laß uns sehen, ob diese Pfähle in die Erde gerammt sind. Die Leute müssen doch einen bequemen Durchgang haben, falls dieser Verbau sich als gar zu fest erweist, muß ich annehmen, daß hier irgendwo ein Schlupfloch vorhanden ist.“
Ich bückte mich nieder, um den unteren Teil der Pfähle zu untersuchen. Da ertönte neben mir ein Schrei von Ben Nils Stimme. Ich wollte mich rasch aufrichten, bekam aber einen Hieb auf den Kopf, daß ich die Besinnung verlor. –
Als ich wieder zu mir kam, war ich mit Stricken geschnürt wie eine ägyptische Mumie mit Leinwandbinden und lag in einem Tokul, in welchem ein Feuer brannte, dessen Rauch durch eine im Dach gelassene Öffnung zog. Neben mir lag Ben Nil, ebenso gefesselt wie ich. Als er sah, daß ich die Augen öffnete, sagte er:
„Allah sei Dank, daß du erwachst! Ich hielt dich für tot, Effendi.“
Mein Kopf schmerzte mich. Es flimmerte mir vor den Augen, und um die Ohren summte es wie ein Bienenschwarm. Ich sah, daß wir uns allein befanden, und antwortete:
„Hat man dich auch niedergeschlagen wie mich?“
„Nein.“
„So kannst du erzählen, wie es zugegangen ist, daß wir uns hier befinden, wahrscheinlich in einem Tokul der Seribah.“
„Leider ja. Wir befinden uns da, trotzdem du sagtest, daß es gar nicht deine Absicht sei, hier einzudringen. Nun, eingedrungen sind wir freilich nicht, aber eingedrungen worden. Du hattest diese Worte eben ausgesprochen, als ich von hinten gepackt wurde. Ich schrie laut auf, denn ich wandte den Kopf und sah hinter dir einen Menschen stehen, welcher mit einem Ruder ausholte, um dich auf den Kopf zu schlagen. Der Hieb fiel, und du brachst wie tot zusammen. Es waren drei oder vier starke Kerle, welche mich hielten; sie wollten mich niederreißen; ich wehrte mich aus Leibeskräften, doch vergeblich.“
„Hoffentlich haben unsere beiden Genossen bemerkt, was geschehen ist.“
„Ich habe dafür gesorgt, daß sie es hörten, denn während ich mit den Angreifern rang, bin ich nicht still gewesen, sondern habe sie angeschrien, damit mein Großvater es hören sollte.“
„Er wird mit dem Djangeh sofort nach dem Schiff zurückgekehrt sein, um Hilfe zu bringen. Erzähle weiter.“
„Du hattest von einem Schlupfloch gesprochen, Effendi, und mit dieser Vermutung das richtige getroffen. Als man mich niedergerungen
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