28 - Im Lande des Mahdi II
und einstweilen mit einer Schnur gebunden hatte, wurde ein Strauch zur Seite geschoben, und es entstand eine Lücke, durch welche ein Mann in gebückter Stellung kriechen konnte. Wir wurden durch diese Öffnung gebracht und hierher getragen, wo man mich noch besser fesselte und auch dich mit Stricken ganz umwickelte.“
„War Murad Nassyr, der dicke Türke, dabei?“
„Nein. Ich sah lauter unbekannte Gesichter.“
„Gut. Zunächst möchte ich wissen, was die Leute, welche uns überfielen, eigentlich da draußen zu tun hatten. Standen sie etwa Posten? Das tut nur einer.“
„Ich weiß es, Effendi. Ich entnahm es aus ihren Reden. Sie haben Fische stechen wollen. Du weißt, daß dies nur des Nachts geschieht. Man brennt am Ufer oder auf einem Boot ein Feuer an, dessen Schein die Fische anlockt. Sie werden mit der Lanze gestochen. Die Männer waren eben durch das Schlupfloch gekrochen, um sich an das Wasser zu begeben, als sie unsern Djangeh schreien hörten. Sie blieben stehen, horchten und sahen uns beide kommen. Wir kamen an der linken Seite der Mischrah herauf; sie zogen sich in den tiefen Schatten der rechten Seite zurück und ließen uns ganz herankommen, um uns dann festzunehmen. Einer von ihnen hatte ein Ruder. Er war es, der dich mit demselben schlug. Meinst du, daß wir wieder loskommen werden?“
„Ich hoffe stets, also auch jetzt. Der Emir ist ja da.“
„Aber wenn man uns umbringt, noch ehe er kommt?“
„Mit diesem Gedanken haben wir allerdings zu rechnen. Wir sind unseren Feinden schon wiederholt entkommen, und um dies jetzt zu verhüten, können sie leicht auf den Gedanken geraten, uns sofort das Leben zu nehmen. Es ist zu verwundern, daß sie uns so allein lassen und keinen Wächter herstellen. Still, man kommt!“
Wir hörten Schritte. Die Matte, welche die Tür bildete, wurde entfernt, und dann traten einige Männer ein, voran der dicke Murad Nassyr, hinter ihm der alte Feldwebel, wie ich an seinem hinkenden Gang erkannte. Der erstere stellte sich vor mich hin, strich sich behaglich den Bart und sagte in höhnischem Ton:
„Bist du wieder da? Hoffentlich wirst du uns deinen Besuch jetzt länger schenken. Oder beabsichtigst du auch heute, so schnell wieder zu verschwinden?“
Ich antwortet nicht; er wandte sich an den Feldwebel:
„Sieh, das ist der Christenhund, von welchem wir euch erzählt haben. Diese verdammte Kreatur setzt uns sogar bis hierher nach. Dies soll aber der letzte Weg sein, den er in seinem Leben macht. Ich schwöre bei Allah, daß er von hier nicht fortkommen soll! Er und sein Gefährte müssen sterben!“
„Ich habe nichts dagegen“, antwortete der Feldwebel. „Du bist an Ibn Asls Stelle jetzt Gebieter hier, und so bin ich dir Gehorsam schuldig. Wollen wir sie sofort hinausführen und erschießen?“
„Erschießen? Das wäre ein viel zu schneller Tod. Sie sollen langsam, sehr langsam sterben und mehrere Todesarten zu gleicher Zeit erleiden. Das ist eine längst beschlossene Sache. Wir müssen Todesarten finden, an denen noch niemand gestorben ist, Todesarten, bei denen es Schmerzen gibt, welche noch kein Mensch erduldet hat. Jetzt ist es Nacht. Ich will ihre Qualen sehen; ich will jeden Zug ihrer heulenden Gesichter beobachten. Das kann erst am Tag geschehen. Warten wir also, bis es licht geworden ist.“
„Sollen sie bis dahin hier liegenbleiben?“
„Nein, sondern wir werfen sie in die Dschura ed dschaza, wo sie so tief und sicher liegen, daß wir sie gar nicht zu bewachen brauchen. Indessen können wir den unterbrochenen Fischfang wieder aufnehmen. Unser Fleisch ist zu Ende; wir müssen Fische haben. Ist das Boot der beiden Hunde in Sicherheit gebracht worden?“
„Ja. Es hing am äußersten Baum der Mischrah. Wir zogen es an das Ufer und können es nun gleich mit zum Fischstechen benutzen.“
„Das ist gut. Zwei Boote geben doppelten Fang. Wir sind zehn Asaker, der Feldwebel und ich. In jedes Boot fünf Männer, können zwei in der Seribah bleiben, um sie zu bewachen, was übrigens gar nicht nötig ist.“
„Ich halte es im Gegenteil für sehr nötig“, meinte der Feldwebel. „Meinst du, daß die beiden Feinde sich allein hier befinden? Könnten sie nicht auf dem Schiff des Raïs Effendina gekommen sein?“
„Ich werde sie fragen, und wehe ihnen, wenn sie mir nicht antworten, oder mir gar die Unwahrheit sagen!“
Er wandte sich jetzt wieder mir zu, trat mich mit dem Fuß auf den Leib und erklärte mir, indem er sein Messer zog:
„Jedes
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