28 - Im Lande des Mahdi II
keinen.“
„Und du bist bereit, es mit ihm aufzunehmen?“
„Ja“, lachte er. „Ich mache aber die Bedingung, daß du mich zu ihm führst.“
„So komme! Ich führe dich.“
Ich nahm meine Büchse und sah nach der Ladung derselben.
„Welch ein Held du bist!“ rief er höhnisch. „Mit einer Hyäne zu kämpfen!“
„Eine Hyäne? Bist du taub, oder hast du die Stimme des ‚Herrn mit dem dicken Kopf‘ noch nicht gehört?“
„Des ‚Herrn mit dem dicken Kopf‘? Du meinst den Löwen?“
„Wen sonst?“
„Es war eine Hyäne. Du selbst bist taub oder so furchtsam, daß du eine Hyäne für einen Löwen hältst. Und wenn es der Herdenwürger wäre, den wir hörten, ich würde ihm mit dir entgegengehen, um dir zu beweisen, daß –“
Er hielt inne. Das Rollen erklang von neuem, nicht viel deutlicher als zum erstenmal. Das war ein Beweis, daß das Tier sich nur langsam näherte. Aber etwas besser war es doch zu hören gewesen, denn die Kamele begannen zu schnauben, und der Fessarah-Führer rief voller Schreck:
„Allah kerihm – Gott sei uns gnädig! Das war wirklich ein Löwe, der große Löwe von El Teitel. Er wird uns fressen und verschlingen.“
„Ja, er hat unsere Spur gefunden und auch diejenige dieses kühnen Fakir el Fukara; darum hat er zweimal gebrüllt“, antwortete ich. „Nun aber wird er schweigen und sich heimlich nähern, um sich einen von uns zur Speise zu holen.“
„Allah bewahre uns vor den Listen dieses geschwänzten Teufels!“
„Ah, du hast Angst! Wie steht es mit unserer Wette?“
„Oh, Effendi, diese Wette!“
„Du wolltest doch tun, was ich tue!“
„Ja, das werde ich auch“, antwortete er; aber ich sah die Visionsflinte in seinen Händen beben.
„So komm! Dem Löwen entgegen.“
„Bist du toll?“
„Nein. Wenn ich ihm entgegengehe, finde und töte ich ihn. Bleibe ich aber hier, so ist ein Mensch verloren.“
„Aber doch nicht gerade du oder ich!“
„Einer wird unbedingt gefressen, welcher, das bleibt sich gleich.“
„Das bleibt sich gar nicht gleich! Ob ich gefressen werde oder ob er einen andern frißt, das ist für mich ein großer Unterschied. Ich bitte dich, doch hier zu bleiben! Wenn sich jeder hinter ein Kamel versteckt, sind wir sicher.“
„Der Löwe holt sein Opfer auch hinter dem Kamel vor. Ich gehe, und dieser vortreffliche Fakir el Fukara wird mich auch begleiten.“
„Ist es dein Ernst, Effendi?“ fragte der Fakir.
„Du wolltest ja mit mir zum Löwen gehen! Oder soll ich, was du so stolz bezweifeltest, wirklich doch mehr Mut und Geschicklichkeit besitzen als du? Prahlen kann jeder Feigling; aber ein Fakir el Fukara sollte doch –“
„Schweig!“ unterbrach er mich. „Ich gehe mit.“
„So komm! Und du, Ben Fessarah?“
„Ich bleibe“, antwortete der Führer.
„Das wußte ich. Mit dem großen Maul bist du tapfer; aber ich werde deine Visionsflinte gewinnen.“
„O Allah! O Mohammed! O Abu Bekr und Osman! Meine schöne, berühmte Visionsflinte“, jammerte er.
„Wenn du zurückbleibst, ist sie verloren!“
„So – so – so gehe ich mit, Effendi, immer hinter dir her. Geh nur voran; ich komme, ich komme!“
Er zitterte am ganzen Leib, kam aber doch hinterdrein, doch ganz genau hinter mir, damit der Löwe nicht ihn, sondern mich erwischen möge. Er dauerte mich, und ich hätte ihn gern zurückgewiesen; aber er hatte eine Strafe verdient; außerdem war ich überzeugt, daß er schon nach wenigen Schritten abhanden kommen werde.
„Mehr Holz in die Feuer, damit die Flammen hochsteigen!“ gebot ich noch; dann hatte ich den Kreis der Menschen und Kamele hinter mir.
Von den Asakern und den Gefangenen war kein Laut zu hören. Die Angst machte sie verstummen. Sie drängten sich, um Schutz zu suchen, jeder eng hinter den Leib eines Kamels. Innerlich war ich wohl der ruhigste von allen. Wenn der Augenblick der Gefahr da ist, hat jede vorher etwa vorhandene Bangigkeit aufzuhören, sonst ist man verloren. Der Fakir el Fukara hatte wohl nicht geglaubt, daß seine Großsprecherei solche Folgen haben werde; er war überzeugt gewesen, es nur mit einer Hyäne zu tun zu haben. Nun trieb ihn die Angst, für einen Feigling gehalten zu werden, hinter mir drein. Der Fessarahführer hatte ihm Platz gemacht und bildete nun den letzten. Er sah, als wir die Lichtung vielleicht halb überschritten hatten, am Rande derselben eine Bewegung im Gebüsch, duckte sich entsetzt hinter einem einzelnen Busch, an welchem wir vorüber
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