28 - Im Lande des Mahdi II
wäre und nicht sagte, daß er uns kennt!“
„Meinst du, daß ihm eine solche Geistesgegenwart zuzutrauen sei?“
„Wohl nicht. Die Freude, mich zu treffen, und dabei der Schreck darüber, daß ich gefesselt bin, das wird so auf ihn einwirken, daß er wohl die Unvorsichtigkeit begeht, unsere Namen zu nennen. Drehe dich auf die Seite, damit er dein Gesicht nicht sieht!“
Ich folgte dieser Anordnung, obgleich ich nicht glaubte, daß dies die beabsichtigte Wirkung haben werde. Der alte Steuermann hatte sich damals auf der Dahabiëh nicht so verhalten, daß ich ihm so viel Selbstbeherrschung, wie hier nötig war, hätte zutrauen können.
Unser Wächter hatte darauf, daß wir miteinander sprachen, nicht geachtet. Seine Aufmerksamkeit war mehr auf Abu en Nil als auf uns gerichtet. Ibn Asl sprach laut mit diesem letzeren, doch hatte ich, weil ich mit Ben Nil redete, den Inhalt des Gespräches nicht verstehen können. Jetzt, da wir schwiegen, hörte ich den alten Steuermann sagen:
„Aber ich sehe immer noch keinen Grund, weshalb wir die Fahrt unterbrechen sollen. Wir sind euch doch nicht im Weg!“
„Doch! Wartet nur kurze Zeit, höchstens einige Stunden, so könnt ihr weiterfahren.“
„Warum jetzt nicht?“
„Das brauche ich euch nicht zu sagen.“
„Du wirst es uns doch wohl sagen müssen, sonst gehen wir sofort wieder unter Segel.“
„Das wirst du bleiben lassen, denn, wenn ich sehe, daß du nicht gehorchen willst, so behalte ich dich hier, bis die Zeit gekommen ist.“
„Dazu hast du kein Recht.“
„Meinst du? Ich bin der Raïs Effendina, von dem du wohl gehört haben wirst.“
„Nein, der bist du nicht. Ich habe nicht nur von ihm gehört, sondern ihn sogar gesehen und mit ihm gesprochen.“
„So! Nun, dann will ich dir sagen, daß ich sein Leutnant bin. Ob dies oder er selbst, das bleibt sich gleich. Du hast zu gehorchen.“
„Beweise mir, daß du die Wahrheit sagst! Die Leute des Raïs Effendina tragen Uniform, die deinigen aber nicht. Ich habe gesehen, daß dein Schiff ‚Eidechse‘ heißt; das Schiff des Raïs Effendina aber heißt ‚Der Falke‘. Deine Worte sind also Lügen.“
„Lügen? Hüte dich, mich zu bleidigen! Der Raïs Effendina kommandiert allerdings den ‚Falken‘; da aber dieses Schiff für seine Zwecke nicht ausreichte, so hat er die ‚Eidechse‘ dazu gemietet und mir den Befehl über dieselbe übergeben. Es ist dir wohl erklärlich, daß gemietete Leute keine Uniformen tragen können.“
„Wenn es so ist, wie du sagst, mußt du eine schriftliche Vollmacht von dem Raïs Effendina haben. Ich bin dir nicht eher Gehorsam schuldig, als bis ich dieselbe gesehen habe.“
„Und mir fällt es nicht ein, dir dieselbe zu zeigen. Du hast mir auf das Wort zu glauben und mir zu gehorchen.“
„Und ich werde zurückkehren und weiterfahren!“
„Halt, Alter, nicht so schnell! Ohne meine Erlaubnis kommst du nicht vom Schiff. Du bist der Steuermann des angehaltenen Fahrzeuges. Wie ist dein Name?“
„Himjad el Bahri.“
Da ich mich umgewendet hatte, konnte ich den Alten nicht mehr sehen, doch hörte ich, daß er fort gewollt hatte, aber festgehalten worden war. Himjad el Bahri! Er nannte sich also jetzt anders als früher, jedenfalls weil er dem Raïs Effendina entflohen war und sich nun unter einem falschen Namen sicherer wähnte. Das war mir lieb, denn nun konnte er Ben Nil nicht für seinen Enkel ausgeben. Kaum aber hatte ich diese Hoffnung geschöpft, so wurde sie mir von unserm Wächter wieder zuschanden gemacht. Dieser trat nämlich, als er den Namen hörte, einige Schritte vor und rief Ibn Asl zu:
„Das ist nicht wahr; dieser Name ist falsch. Ich kenne den Alten. Ich habe ihn früher in Kahira und auch anderswo gesehen. Er ist ein sehr bekannter Steuermann und wird, weil er den Fluß wie selten ein anderer kennt, Abu en Nil genannt.“
„Abu en Nil?“ wiederholte Ibn Asl im Ton der Überraschung. „Ist das wahr? Kennst du ihn wirklich?“
„Ganz genau, ich kann mich gar nicht irren.“
„Ah, Alter, du hast mich täuschen wollen; du bist ein Betrüger! Gibst du zu, daß du der Steuermann Abu en Nil bist?“
„Nein. Ich heiße Himjad el Bahri und habe nie einen anderen Namen gehabt.“
„Das ist eine Lüge!“ behauptete der Wächter. „Ich kenne ihn ganz genau und kann noch zwei Zeugen bringen, welche ihn auch kennen.“
Er nannte zwei Namen, und die Träger derselben, zwei Untergebene von Ibn Asl, welche sich am Land befanden, wurden
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