28 - Im Lande des Mahdi II
daß deine Ausreden sehr spitzfindig und zweideutig waren. Ehe ich dich freilasse, werde ich diese Sache genau untersuchen, und wehe dir, wenn ich nur den geringsten verdächtigen Flecken an dir finde! Jetzt habe ich keine Zeit dazu. – Ihr bleibt unter Bewachung einstweilen hier liegen.“
Er wandte sich von uns ab, denn seine Aufmerksamkeit wurde oberhalb unserer Ankerstelle, wo jetzt das betreffende Fahrzeug erschien, in Anspruch genommen. Es wurde von dem entgegengesandten Boot angesprochen und trat in Unterhandlung mit demselben. Dann sahen wir einen Mann über Bord und hinab in das Boot steigen, welches mit ihm zurückkehrte; das Schiff aber wurde gegen das Ufer gesteuert, um dort anzulegen.
Bei mir und Ben Nil stand ein Wächter, der uns scharf im Auge hielt. Mir war gar nicht bange. Ich meinte, annehmen zu dürfen, daß die von mir vorgebrachten Ausreden doch noch die beabsichtigte Wirkung haben würden. Beweisen konnte man uns nichts. Gravierend war nur das, was der Lauscher gegen uns vorgebracht hatte, und diesem war der wirkliche Zusammenhang entgangen; er hatte nur einzelne Punkte vernommen, aus und mit denen eine Überführung nicht zu konstruieren war. Bedenken konnte mir eigentlich nur der Augenblick erregen, an welchem entdeckt wurde, daß die Fässer leer seien. Da man einmal mißtrauisch geworden war, stand zu erwarten, daß der Verdacht dann auf uns fallen werde. Doch war es auch hier unmöglich, uns die Schuld zu beweisen. Leider aber sollte es anders, ganz anders kommen.
Das Boot legte an, und die Leute stiegen mit dem Mann, den sie brachten, an Bord. Man denke sich meinen Schreck, als ich in demselben Abu en Nil erkannte, den Steuermann der Dahabiëh Es Semek, auf welcher ich das bekannte nächtliche Abenteuer in Gizeh erlebt hatte. Diese Dahabiëh war für den Sklavenhandel bestimmt gewesen und in der Nacht von dem Raïs Effendina konfisziert worden. Ich hatte den Steuermann aus Mitleid entfliehen lassen, ihm einiges Reisegeld gegeben und von ihm die Versicherung erhalten, daß er sich nordwärts nach seiner Heimat wenden werde. Und nun sah ich ihn hier oberhalb Khartums im tiefen Süden!
Der Mann kannte mich ganz gewiß noch. Er mußte mich ja kennen, zumal ich sehr oft die Erfahrung gemacht hatte, daß mein Gesicht ein solches ist, welches man nicht so leicht und rasch vergißt. Ich war von Leuten, welche mich nur einmal und ganz vorübergehend gesehen hatten, noch nach Jahren sofort wiedererkannt worden. Noch schlimmer aber war der Umstand, daß dieser Steuermann Abu en Nil der Vater oder vielmehr der Großvater meines Begleiters Ben Nil war. Es war vorauszusehen, daß er, uns beide erblickend, augenblicklich zu uns eilen und uns verraten werde.
Ben Nil lag nicht wie ich auf dem Rücken, sondern auf der Seite, von dem Bord, an welchem die Leute heraufgestiegen waren, abgewandt; darum hatte er seinen Großvater nicht gesehen. Ich mußte ihn vorbereiten und wandte mich daher zu ihm, ihm zuflüsternd:
„Erschrick nicht, und bleibe so liegen, wie du liegst! Dein Großvater ist gekommen.“
Ich sah es, daß er eine Bewegung der Überraschung machen wollte, aber er beherrschte sich doch. Es dauerte eine kleine Weile, dann fragte er:
„Ich habe beide Großväter noch. Du meinst doch den Steuermann?“
„Ja, Abu en Nil, den früheren Steuermann der Dahabiëh Es Semek.“
„Oh, Allah, welche Freude!“
„Nein, welches Unglück für uns. Er wird uns verraten.“
„Himmel! Das ist allerdings wahrscheinlich. Wie kommt er hierher? Was tut er hier?“
„Er befand sich auf dem Schiff, welches Ibn Asl gezwungen hat, anzuhalten. Der Offizier hat ihn mitgebracht, jedenfalls damit er Verhaltungsbefehle bekommen soll.“
„Wo steht er?“
„Dort rechts am Rand des Schiffes. Er hat uns noch nicht gesehen. Ibn Asl spricht mit ihm.“
„Können wir ihm nicht ein Zeichen geben, daß er schweigen möge?“
„Wenn wir nicht gefesselt wären, dann würde es möglich sein, ja; so aber müssen wir das Unglück über uns ergehen lassen. Wie mag er nach dem weißen Nil gekommen sein! Er wollte ja nach Gubator gehen!“
„Ursprünglich, ja; aber es ist anders geworden. Habe ich dir denn nicht erzählt, daß ich ihn in Siut traf?“
„Ah, daran habe ich jetzt nicht gedacht!“
„Ich verlor ihn dort wieder, denn ich wurde von dem alten Abd Asl in den unterirdischen Brunnen gelockt, wo ich verschmachten sollte, aus welchem du mich aber rettetest. Wenn er doch um Allahs willen vorsichtig
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