28 - Im Lande des Mahdi II
vorsichtig verfahren und werden also längere Zeit als sonst brauchen; auch bin ich sehr schnell gelaufen; aber in einer halben Stunde können sie hier eintreffen.“
„So müssen wir fort. Dieser Hund hat uns das Öl genommen, welches uns nun freilich auch nichts nützen könnte. Wollten wir kämpfen, so würden wir siegen, aber gewiß viele unserer Kameraden verlieren. Das müssen wir vermeiden, ich werde, um den Raïs Effendina durch List in meine Gewalt zu bringen, einen andern Plan erdenken. Also auf, ihr Männer, an die Arbeit! Nehmt die Masten empor und öffnet die Segel! Der Wind ist uns günstig und wird uns rasch aufwärts führen.“
Was sich am Ufer befand, wurde schnell an Bord geschafft; die leeren Petroleumfässer warf man in das Wasser; dann richtete man die Masten auf. Der Noqer hatte nämlich außer dem Hauptmast vorn noch einen kleineren Mast. Das Fahrzeug war überhaupt anders eingerichtet, wie die Noqer es gewöhnlich sind. Der Wind begann die Segel zu blähen, wir stießen vom Land und wurden aufwärts gegen den Strom geführt.
Da jedermann beschäftigt war, hatte man auf uns wenig acht. Auch unser Wächter hielt seine Aufmerksamkeit mehr auf die Bewegung des Schiffes als auf uns gerichtet. Darum konnten wir es wagen, wenn auch nur leise, wieder miteinander zu sprechen. Wir kamen eben an dem Schiff vorüber, welches Ibn Asl zum Anlegen gezwungen hatte; da sagte Abu en Nil:
„Meinst du, Effendi, daß ich meine Leute jetzt rufe?“
„Um Allahs willen, nein! Du würdest dadurch unsere Lage nur verschlimmern, deinen Zweck aber nicht erreichen.“
„Aber ich muß doch auf meinen Posten zurück und kann unmöglich mit diesem entsetzlichen Ibn Asl fahren!“
„Dem fällt es nicht ein, dich zu fragen, ob du kannst oder willst; du mußt!“
„Aber was soll aus mir werden?“
„Ganz dasselbe, was aus uns beiden wird.“
„Nun, was wird das sein?“
„Allah weiß es, ich aber nicht. Du allein trägst die Schuld, daß du dich in dieser Lage befindest.“
„Ich war so erschrocken und konnte doch nicht wissen, daß ich eure Namen nicht nennen durfte.“
„Wir waren gefangen; das mußte dir genug sagen.“
Noch hatten wir die Dschesireh Hassanieh zur Linken. Rechts am Ufer traten die Bäume weit auseinander. Es gab eine freie Stelle, und man konnte hindurch und hinaus auf die Steppe sehen. Trotzdem ich lag, erblickte ich einen Reiter, welcher auf einem Kamel saß und im scharfen Gang durch diese Lichtung nach dem Fluß strebte. Als er das Schiff sah, richtete er seinen Oberkörper auf, wie einer tut, der etwas scharf ins Auge nehmen will. Dann winkte er, indem er sein Gewehr schwang, und schlug auf sein Tier ein, um das Ufer schnell zu erreichen. Eben stand Ibn Asl in unserer Nähe. Ich hörte ihn sagen:
„Seht! Das ist Oram, welcher uns als Bote gesendet wird! Wir können ihn nicht einnehmen; wir dürfen nicht halten, sonst werden wir von dem Raïs Effendina eingeholt.“
Er legte die beiden Hände hohl an den Mund und rief durch dieses Sprachrohr nach dem Ufer, an welchem der Reiter jetzt hielt, hinüber: „Maijeh es Saratin, Maijeh es Saratin!“ Der Reiter hatte ihn verstanden; er drehte sein Kamel um und ritt schnellstens wieder von dannen.
Ein Maijeh ist ein sumpfiger Nebenarm eines Flusses, die Einbuchtung eines Stromes, deren Wasser still steht, also ganz dasselbe, was der Anwohner des Mississippi einen Bayou nennt. Im weiteren Sinne wird Maijeh auch jeder Sumpf genannt. Es Saratin heißt ‚der Krebs‘. Der Mann war also nach dem Krebsarm oder Krebssumpf gewiesen worden, jedenfalls einer Einbuchtung des Nils, in welcher es viele Krebse gab und an deren Ufer er das Schiff erwarten sollte. Er war ein Bote. Von wem? Ich hatte sein Gesicht nicht deutlich sehen können, und dennoch war er mir wie bekannt vorgekommen.
Doch, was kümmerte mich dieser Mann! Ich hatte jetzt genug mit mir zu tun. Es verstand sich ganz von selbst, daß ich mich freute, den Raïs Effendina gerettet zu haben; nun aber stak ich selbst im Pech. Konnte ich Hilfe von ihm erwarten? Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Er wußte jedenfalls nicht genau, wo er die Vögel, welche nun ausgeflogen waren, zu suchen hatte. Fand er das verlassene Lager, so forschte er wahrscheinlich weiter nach ihnen. Und erfuhr er von Abu en Nils Schiffsleuten, daß der Noqer aufwärts gefahren sei, so kehrte er nach Hegasi zu seinem Schiff zurück, um ihn zu verfolgen. Dabei mußte die kostbare Zeit verlorengehen, und Ibn Asl
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