28 Minuten
trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Jetzt war es elfzweiunddreißig. Er wollte schon aufstehen, konnte sich aber nicht recht dazu durchringen. Er verschränkte die Arme. Er würde Petrenko noch zehn Minuten geben.
Als die zehn Minuten um waren, stand er auf und zahlte. Er tat einen Schritt in Richtung Ausgang und erstarrte. Er konnte jetzt nicht gehen. Es war nicht nur das Geld. Er musste dafür sorgen, dass der Pfau zahlte. Er errötete und erklärte der Kellnerin, dass er sich gerne doch wieder hinsetzen und noch einen Kaffee trinken würde.
Um halb eins gab er auf. Petrenko würde nicht kommen. Aus irgendeinem Grund musste er davon ausgehen, dass Shrinis Anruf ein Scherz gewesen war. Enttäuscht griff er nach seinen Krücken und humpelte zum Ausgang. Die Stufen draußen waren nicht einfach. Er musste die Krücken mit einer Hand halten und sich mit der anderen auf dem Geländer abstützen, dann hüpfte er auf einem Fuß nach unten.
Als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, packte er die Krücken mit beiden Händen. Er tat mehrere Schritte in Richtung Bürgersteig und blieb dann stehen, um eine der Krücken in seiner Armbeuge zurechtzurücken. Unmittelbar bevor der Schlag in die Nieren ihn traf, nahm er zwei Männer hinter sich wahr, aber ihm blieb keine Zeit zu reagieren. Der Schlag lähmte ihn. Mehrere Sekunden lang konnte er nicht atmen. Seine Knie knickten ein, heiße Tränen stiegen ihm in die Augen.
Sie packten ihn von beiden Seiten. Ein Wagen fuhr vor, der Deckel vom Kofferraum sprang auf und er wurde hineingeworfen. All das passierte innerhalb von fünf Sekunden. Er wehrte sich und schlug um sich, bis ihn etwas heftig am Kopf traf. Dann wurde es dunkel um ihn.
Der Schmerz ließ ihn wieder halb zu Bewusstsein kommen. Er pochte in jedem Teil seines Körpers, und Shrini hatte das Gefühl, jemand hätte Nägel in seinen gebrochenen Knöchel geschlagen. Alle paar Sekunden hörte er ein dumpfes Geräusch, dann folgte stechender Schmerz. Ein heftiger Schlag brachte ihn vollends zu Bewusstsein. Er riss die Augen auf und sah Petrenko mit einem Golfschläger in der Hand. Er schrie, als Petrenko den Schläger auf seinen ungeschützten Knöchel niederfahren ließ. Der Schmerz explodierte in ihm. Er wusste, dass seine Augen offen standen, aber das Bild begann zu flackern wie eine Glühbirne, die kurz davor steht durchzubrennen. Gerade noch so blieb er bei Bewusstsein.
»Unser Gast ist wach geworden«, verkündete Petrenko.
Hinter Petrenko standen drei weitere Russen, die alle leicht amüsiert zusahen. Shrinis Arme waren über seinen Kopf gestreckt, seine Füße hingen herunter und berührten gerade eben den Boden. Etwas Kaltes, Hartes grub sich in seine Handgelenke, und ihm wurde klar, dass er mit Handschellen an etwas gefesselt war, wahrscheinlich ein Rohr. Er schaute nach unten und sah, dass sein verletzter Knöchel auf die Größe einer Aubergine angeschwollen war und auch dieselbe violett-blaue Färbung angenommen hatte. Von dem Anblick wurde ihm schwindelig. Seine Augen verdrehten sich nach oben, doch Petrenko packte ihn bei an den Haaren, riss seinen Kopf hoch und ohrfeigte ihn.
»Oh nein«, sagte er. »Jetzt bleibst du wach.«
Als er wieder scharf sehen konnte, sah Shrini, wie Petrenko die Mundwinkel zu einem schmierigen Grinsen verzog, sein Blick aber ausdruckslos blieb. Dann ballte der Russe eine Faust und schlug Shrini blitzartig und sehr kraftvoll in die Rippen.
Die Zeit schien stillzustehen, während er nach Luft rang. Einen langen Augenblick fürchtete er zu ersticken, so wie seine Bauchmuskeln sich verkrampften. Aber dann begann er doch wieder zu atmen. Schwerfällig, aber immerhin.
»Nicht noch mal«, sagte Shrini.
Petrenko schlug ihn ein zweites Mal, diesmal gegen die Brust. Ein stechender, scharfer Schmerz schoss durch ihn hindurch.
»Bitte«, zwang Shrini heraus und Tränen liefen ihm über das Gesicht. »Nicht noch einmal schlagen.«
»Nein?«, fragte Petrenko. »Und warum nicht?«
»Glauben Sie mir, ich sage Ihnen alles. Aber nicht noch einmal schlagen.«
»Du sagst mir alles, ja?« Dann mit tiefer, drohender Stimme: »Wo sind die Sachen, die du mir gestohlen hast?«
»New Hampshire.« Shrini gab ihm Joels Namen und Adresse, die Worte purzelten geradezu aus ihm heraus.
»Alle meine Sachen sind dort?«
Shrini nickte.
»Warum?«
»Er hat uns alles weggenommen. Wir konnten nichts tun.«
»Wer war noch dabei?«
Shrini schüttelte den Kopf. »Dieser Pfau hat alle Ihre
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