Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
Vom Netzwerk:
wieder auf.
    Waren wir entdeckt?
    Die Gebete im Bunker wurden ganz, ganz leise und immer mehr.
    Die Schritte entfernten sich wieder.
    Einige der Zivilisten, das sah man ihnen an, hätten am liebsten gejubelt. Auch wir Kämpfer waren erleichtert, aber wir wussten nun: Unsere Zeit war so gut wie abgelaufen. Wir besaßen lächerlich wenig Munition, kaum Vorräte, und es war nahezu unmöglich, in den Trümmern des zerstörten Ghettos noch etwas zu essen zu finden.
    Selbst Daniel verließ mittlerweile der Mut. Er krabbelte zu mir und sagte: «Ihr hattet recht.»
    «Womit?»
    «Überleben ist Illusion.»
    Ich war erschrocken, ihn so kraftlos zu sehen.
    Daniel deutete auf Rebecca, die wäre ihre blau-weiße Murmel betrachtete, als ob in ihr eine andere Welt verborgen. Vielleicht eine mit 888 blau-weißen Inseln. Es war ein Wunder, dass dieses kleine Mädchen lebte.
    Daniel flüsterte: «Korczak hätte sie jetzt darauf vorbereitet, dass es nach dem Tod eine schönere Welt gibt …»
    So hatte der alte Mann es mit seinem Theaterstück gemacht an jenem Tag, an dem die Deutschen gekommen waren, um die Waisen zu holen.
    «… aber ich bin nicht Korczak», sagte Daniel niedergeschlagen.
    «Nur Korczak ist Korczak», sagte ich freundlich.
    «Ich wollte es mein Leben lang sein. Und was bin ich jetzt?»
    «Daniel.»
    Er verzog verächtlich das Gesicht.
    «Und ich bin nicht mal du», ergänzte ich.
    Daniel verstand nicht so recht.
    «Du hast viel mehr geschafft als ich», erklärte ich ihm.
    Er war davon überrascht.
    «Du hast der Kleinen fast ein Jahr geschenkt. Wir Kämpfer ihr nur ein paar fürchterliche Tage.»
    Er hatte das Wunder ihres Weiterlebens vollbracht.
    Als Antwort gab Daniel mir einen Kuss auf die Wange.
    Das verblüffte mich so sehr, dass ich gar nichts erwidern konnte.
    Stattdessen sagte Daniel: «Hör nicht auf Avi, Amos kommt wieder.»
    Und dafür gab nun ich ihm einen Kuss auf die Wange.
     
    Wir standen im Schnee und konnten auf die Wolken hinabblicken, die den Berg wie einen Ring fest umschlossen hielten. Etwa fünfzig Höhenmeter über uns reflektierten die Spiegel des Palastes das Licht der Sonne.
    Die Crew der
Langohr
war müde, nicht so sehr wie die Kämpfer im Bunker der Miła  18 , aber immerhin.
    Kapitän Karotte fluchte: «Verdammte Berge, ich weiß schon, warum ich Seemann geworden bin.»
    «Du bist Seemann geworden», sagte der Werwolf, «weil du den Kahn beim Würfeln gewonnen hast.»
    Hannah beteiligte sich nicht am Gespräch, sie lächelte einfach nur Ben Rothaar zu. Der echte Ben war gestorben. Die echte Hannah auch. Doch weil ich all den Tod nicht mehr ertragen konnte und weil Amos nicht bei mir war, umgab ich mich mit Phantasmen, die immer weniger gemein hatten mit den echten Menschen, die sie glaubten zu sein.
    Ich wollte nicht alleine sterben.
     
    Ich verließ den Berg und reiste zurück in den Bunker. Dort lag ich allein in meiner Ecke von Auschwitz. Ich stand auf, humpelte zu Daniel und Rebecca und fragte: «Darf ich mich zu euch legen?»
    Die Kleine rollte ihre Murmel zu mir rüber. Ich nahm sie in die Hand, behutsam wie einen ganz besonderen Schatz, der sie ja auch war. Die Murmel war ganz glatt. Es war erstaunlich, dass sie in all der Zeit so unversehrt geblieben war. Sie schmeichelte sich in meine Handinnenfläche, und ich spürte plötzlich wieder, dass es auf dieser Welt noch etwas anderes gab als den Tod.
    Daniel deutete auf die Murmel und lächelte mich an: «Das ist eine Einladung.»
    Ich gab der Kleinen die Murmel zurück, legte mich zu den beiden und fühlte mich ein klein wenig geborgen.

72
    Am Morgen begann das Gehämmer erneut. Die Deutschen hatten den Bunker entdeckt. Wie? Durch Hunde? Verräter? Lauschgeräte? Einerlei!
    Wir Kämpfer zückten die Waffen. Zivilisten begannen zu weinen, einige gar vor Angst zu schreien. Schmul Ascher lief umher, forderte alle auf, leise zu sein. Izak, das Wiesel, ließ sich von seinem Boss aber nicht beruhigen: «Sie holen uns, sie holen uns!»
    «Vielleicht geschieht noch ein Wunder!», gab Ascher zurück.
    Die Deutschen hatten aus ihm nicht nur einen stolzen Juden gemacht, sondern auch noch einen, der auf Wunder hoffte.
    Das Hämmern hörte auf.
    Stille.
    Warten.
    Angst.
    «Ich bin einer von euch», hörten wir die Stimme eines jüdischen Kollaborateurs. Er stand auf dem Schuttberg direkt über unserem Bunker. «Ihr könnt mir glauben! Die Deutschen schicken euch zur Arbeit. Wenn ihr euch allerdings nicht ergebt, werdet ihr

Weitere Kostenlose Bücher