28 Tage lang (German Edition)
ineinander über, drei Meter lagen schätzungsweise dazwischen. Eine Distanz, die ich mit gesundem Fuß springen konnte. Doch würde mir das auch mit verletztem Knöchel gelingen?
Besser, durch den Aufprall zu sterben als durch eine deutsche Kugel.
Ich nahm Anlauf. Der Knöchel schmerzte, dadurch rannte ich viel langsamer als sonst. Ich sprang ab …
… und noch in der Luft merkte ich, dass es nicht reichen würde.
Ich landete nicht mit meinen Füßen auf dem anderen Haus, sondern knallte mit meinem Unterleib gegen die Dachkante. Mir blieb vor Schmerz die Luft weg, aber ich klappte instinktiv mit dem Oberkörper auf das Dach, während meine Beine frei in der Luft baumelten, da sie an der Häuserwand keinen Halt fanden.
Mit letzter Kraft zog ich mich hoch und lag, um Atem ringend, auf dem Bauch. Ich brauchte etwas, bis ich wieder bei mir war, noch länger, bis ich mich aufrappeln und in gebückter Haltung über die Dächer huschen konnte.
Ein paar Häuser weiter fiel mein Blick in einen Innenhof. Dort sah ich einen Berg von Federn. Endlich ein gutes Versteck.
Durch eine Luke sprang ich runter auf die Dielen des Dachbodens und hätte am liebsten beim Aufkommen vor Schmerz laut aufgeschrien. Stattdessen biss ich mir so auf meine Lippe, dass sie tierisch blutete.
Als ich den Haufen im Hof erreichte, gelang es mir gerade noch, mich mit den Federn zu bedecken, dann hatte ich all meine Kraft aufgebraucht, sowohl die körperliche als auch die seelische, und mir fielen die Augen zu. Ich schaffte es nicht mehr, wach zu bleiben und zu lauschen, ob die Soldaten kommen würden.
70
Ich wachte auf vom Geruch einer Zigarette. Hier im Hof war jemand. War es wieder ein polnischer Feuerwehrmann, der eine Pause bei den Löscharbeiten machte? Oder ein Deutscher, der sich von der Jagd ausruhte? Oder war es ein Kämpfer, ein Kamerad, ein Freund? Letzteres sicherlich nicht. Ich hatte mein Glückskontingent für heute schon verbraucht.
Dem Licht nach zu urteilen, das durch die Federn fiel, brach der Tag an. Also musste ich schnell zur Miła 18 zurückkehren oder den ganzen Tag unter diesen Federn liegen bleiben. Ohne etwas zu essen. Ohne etwas zu trinken. Und was würde ich tun, wenn die Deutschen sich daranmachten, auch hier alles in Brand zu stecken?
Ich lauschte etwas. Der Mann, wer immer es auch war, schien allein zu sein. Ich beschloss, es zu wagen, und sprang mit gezogener Pistole hervor. Wenn ich richtig gerechnet hatte, mussten noch ein oder zwei Kugeln in ihrem Lauf stecken.
Vor mir stand ein SS -Soldat. Er erschrak und ließ seine Zigarette fallen.
Für einen kurzen Moment war auch ich erschrocken: Ich kannte den Mann.
Es war der Offizier, der mich in der Wachstube vor dem fetten Schwein gerettet hatte. Der Deutsche, der Polnisch sprach und noch am meisten einem Menschen ähnelte.
Das erste Mal stand ich einem SS -Mann auf diese Art und Weise gegenüber, hatte einen so in meiner Gewalt. Das musste ich nutzen. Um zu verstehen.
«Warum?», fragte ich ihn.
Er war von der Frage irritiert.
«Warum … was?»
«Warum macht ihr das?»
Er überlegte etwas.
«Von der Antwort hängt nicht ab, ob du am Leben bleibst oder nicht.»
Ich wollte, dass er ehrlich war, nicht einfach nur irgendetwas sagte, um seine Haut zu retten.
Er nickte, hatte also verstanden.
«Willst du wissen, warum ich das mache oder meine Vorgesetzten?»
«Beides.»
«Himmler und die anderen sind wahnsinnig.»
«Und du?»
«Hätte auch gerne diese Ausrede.» Er lachte bitter.
«Das ist keine Antwort.»
«Ich wollte ein besseres Leben für mich und meine Familie.»
«Denen geht es besser, wenn du hier Menschen abschlachtest?»
«Blödsinn!», gab er zurück und schien für einen Augenblick vergessen zu haben, dass ich eine Waffe auf ihn richtete. Dann fiel es ihm wieder ein, und er wurde wieder sachlicher: «Bei der SS hab ich eine Anstellung bekommen, Geld …»
«Du tötest also für Geld», unterbrach ich ihn.
«Das war nie mein Plan gewesen, so weit hab ich am Anfang nicht gedacht. Wer konnte so etwas ahnen?»
«Hitler hat ja auch nie erwähnt, dass er uns Juden hasst», gab ich bitter zurück.
Darauf antwortete er nicht, sagte stattdessen: «Meine Familie hat kein besseres Leben. Auf Hamburg fallen Bomben, und ich komme als seelisches Wrack zu meiner Frau und meiner Tochter nach Hause. Wenn sie dann noch leben.»
Ein Teil von mir hoffte, dass sie es nicht taten.
«Und wenn», schob der SS -Offizier vorsichtig nach, «du mich am
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