28 Tage lang (German Edition)
schließlich danach und wollte sie Rebecca geben.
«Nein!», schrie ich.
Er hörte auf mich, gab die Kapsel an Sharon zurück, und die reichte sie an eine Mutter mit Kind weiter. Dann nahm sie ihre Pistole und schoss auf sich selber. Siebenmal. Bis sie endlich tot war.
Ich rannte zu Daniel, reichte ihm und Rebecca jeweils einen feuchten Lappen und setzte mich zu ihnen. Wir drängten uns dicht an dicht. Wenn ich schon nicht neben Amos sterben durfte, dann wenigstens bei ihnen.
Das Gas füllte nach und nach die Kammern. Immer mehr Kämpfer nahmen sich das Leben. Andere wie Pola kletterten schießend aus dem Bunker und wurden von den Soldaten erschossen. Kaum vorstellbar, dass sie auf diese Art und Weise auch nur einen Feind mit in den Tod nahmen.
Daniel griff nach meiner Hand.
Ich versuchte ein letztes Mal zu den Inseln zu reisen, doch ich konnte mich nicht konzentrieren. Das Gas ließ mich kaum noch atmen, ich hustete, und mir gelang es nicht, vor meinem geistigen Auge Hannah zu sehen, wie sie mit ihrem Rucksack den steinigen Pfad hochging, zum Palast des Spiegelmeisters.
Ich sah nur Hannah in der Blutlache.
Ich hielt Daniels Hand ganz fest
Im Tode vereint.
Da rief jemand: «Es gibt einen Ausweg!»
Ich begriff erst nicht.
«Es gibt einen Ausweg!»
Vor mir stand ein hagerer Kämpfer, den ich bis dahin kaum wahrgenommen hatte, ich kannte nicht mal seinen Namen. Er war einer von denen gewesen, die Mordechai losgeschickt hatte. Während ich im Gas nach Atem rang, dachte ich, er wäre irre. Es konnte doch gar keinen weiteren Ausgang geben. Dennoch nahm ich meine Hand aus der von Daniel, der bereits im Gas wegdämmerte, und stand auf.
«Wir können raus! Wir können raus!», schrie der Kämpfer.
Irre oder nicht, wir hatten nichts zu verlieren, wenn wir ihm folgen würden. Ich beugte mich runter und rüttelte Daniel.
Er öffnete nicht die Augen.
«Daniel!», hustete ich mehr, als dass ich rief.
Er wachte immer noch nicht auf.
Ich sah mich nach dem hageren Kämpfer um, ich durfte ihn nicht aus den Augen verlieren, wusste ich doch nicht, wo der rettende Ausgang lag, wenn es ihn denn überhaupt gab und der Kamerad nicht doch verrückt geworden war.
Der Hagere versuchte indessen, so vielen wie möglich von seiner Entdeckung zu berichten, aber er war zu spät gekommen. Viel zu spät! So gut wie alle waren tot. Entweder hatten sie sich selbst gerichtet oder waren in den Kugelhagel der Deutschen gelaufen oder bereits erstickt. Nur ein paar von uns, die wie Daniel, die kleine Rebecca und ich, nasse Tücher vor dem Mund hatten, atmeten noch und Daniel auch nur noch sehr schwach.
«Wach auf!», schrie ich ihn noch mal an und musste mich vor Husten fast erbrechen.
Keine Reaktion.
Ich schlug ihn. Einmal. Zweimal.
Endlich öffnete er die Augen. Ich zog ihn hoch. Und auch Rebecca. Dann sah ich mich wieder panisch nach dem Hageren um. Er hatte ein paar Gestalten zusammengetrieben und führte uns alle in eine hintere Ecke des Bunkers. Dort war ein Loch, das die Deutschen nicht entdeckt hatten. Wir räumten den Schutt beiseite, krabbelten heraus und versteckten uns unter Geröll und Asche. Vierzehn Menschen. Nur mit Unterwäsche bekleidet. Die letzten Überlebenden von Miła 18 .
Mordechai war nicht darunter. Ich wusste noch nicht einmal, ob das Gas ihn getötet hatte, er sich selbst, oder ob er doch noch ein letztes Mal auf Deutsche geschossen hatte. Die jüdische Kampforganisation hatte ihren Führer verloren. Und fast all unsere verbliebenen Kameraden. Mit der Miła 18 starb unsere letzte Hoffnung.
73
In der Nacht hörte ich Schritte. Ich war viel zu wackelig auf den Beinen, um zu fliehen. Den anderen ging es genauso. Daniel hatte immer noch so viel Gas in den Lungen, dass er nicht aufhören konnte zu husten. Wir hörten, wie hinter einem Geröllhaufen Waffen in Anschlag gebracht wurden. Der hagere Kämpfer, der uns gerettet hatte, hob als Erster zur Aufgabe die Hände. Wir anderen machten es ihm nach, jedenfalls die von uns, die noch genug Kraft in den Armen hatten. Daniel gehörte nicht dazu, er saß regungslos im Schutt.
Der Geröllhaufen wurde von der anderen Seite aus erklommen. Gleich würden die SS -Männer über uns stehen und uns verhaften oder uns gleich erschießen, egal. Alles egal.
«Hände hoch», rief eine Stimme auf Polnisch.
Ich sah hoch. Es waren keine Deutschen. Keine Letten oder Ukrainer. Es waren drei Kameraden. Zwei Männer, eine Frau.
Beide Gruppen starrten sich ungläubig
Weitere Kostenlose Bücher