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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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Leben lässt.»
    «Warum sollte ich das tun?»
    «Ich habe dich vor Schaper gerettet. Du hättest mal die Mädchen sehen sollen, die er vorher in der Mangel hatte.»
    «Die du nicht gerettet hast.»
    «Ich hab nicht so viele Möglichkeiten zu handeln, ich kann keine Hunderte von Juden retten …»
    «Man kann sich immer entscheiden.»
    «Das denkst du, die nichts zu verlieren hat.»
    «Dank euch.»
    «Als Familienvater hab ich eine Menge zu verlieren …»
    Je länger dieser Deutsche redete, desto menschlicher wurde er für mich und desto widerlicher fand ich ihn.
    «Wenn du mich tötest, verliert meine Familie den Vater, den Ehemann …»
    «Halts Maul!», fuhr ich ihn an und zielte mit meiner Pistole genau auf seine Stirn.
    Der Offizier schwieg, versuchte ruhig zu erscheinen, aber seine Hände zitterten.
    «Dreh dich um!», befahl ich.
    Er tat wie ihm geheißen und zitterte jetzt am ganzen Körper.
    Ich schlug mit dem Griff meiner Pistole so hart zu, wie ich nur konnte. Der Offizier fiel zu Boden. Sein Hinterkopf blutete, er konnte sich nicht bewegen, war aber immer noch bei Bewusstsein und stöhnte. So schlug ich noch mal zu. Und noch mal. Bis er endlich ohnmächtig wurde.
    Ich ließ ihn am Leben. Nicht etwa, weil er mich in der Wachstube vor Schlimmerem bewahrt hatte. Oder gar weil ich Mitleid mit ihm hatte. Oder mit seiner Familie. Er durfte einzig und allein weiterleben, weil ein Schuss seine Kameraden alarmiert hätte.

71
    Ich kehrte zur Miła  18 zurück. Das Haus war niedergebrannt.
    «Alle tot, alle tot», dachte ich zuerst, doch ich zwang mich, nicht aufzugeben. Das hatte ich doch gelernt: Solange ich keine Leichen finden würde oder Anzeichen dafür, dass die SS alle in die Züge getrieben hatte, gab es noch Hoffnung.
    Panisch suchte ich in dem Schutt nach einem der fünf Eingänge, fand endlich ein Loch, kroch hindurch und war überglücklich, dass die Bewohner noch lebten. Weder war das Feuer auf den Bunker übergesprungen, noch hatten die Soldaten sie entdeckt!
    Die Stimmung in den Kammern passte jedoch nicht zu meiner Freude. Es war heiß wie in einem Ofen, alle trugen nur noch ihre Unterwäsche, und lediglich der abgemagerte Ascher schaffte es noch, so etwas wie Humor zu finden: «Ich wollte schon immer eine Sauna haben.»
    Meine Kameraden wurden noch betrübter, als ich ihnen vom Verrat des polnischen Feuerwehrmannes berichtete.
    «Jetzt können wir nur noch hoffen», seufzte Mordechai, «dass Amos einen Weg durch die Kanalisation findet.»
    Avi, dessen Beinverletzung sich entzündet hatte und der deswegen fieberte, strich sich über den roten Bart und gab zu bedenken: «Das haben schon andere versucht und sind in der Scheiße verreckt.»
    Tatsächlich hatte noch keiner der Kämpfer einen Weg durch die Kanäle gefunden. Zwei waren sogar gestorben, als eine Patrouille ihre Schritte gehört und Handgranaten durch einen offenen Gully auf sie hinabgeworfen hatte.
    «Amos», versuchte Mordechai Zuversicht zu verbreiten, «wird Kanalarbeiter auftreiben, die uns den Weg zeigen.»
    «Wenn er denn noch lebt», stöhnte Avi.
    «Red nicht so!», fuhr ich ihn an.
    Nervös drehte ich an meinem Ehering, der mir mit einem Mal so viel bedeutete wie der kleinen Rebecca ihre Murmel.
    Warum waren Amos und ich nicht einfach auf der polnischen Seite geblieben und hatten versucht, uns durchzuschlagen? Weil unser Platz bei den Kameraden war.
    «Verzeih», sagte Avi, «natürlich lebt Amos.»
    «Schon in Ordnung», erwiderte ich und zog mich in die Kammer namens Auschwitz zurück. Dort zog ich Hose, Bluse und Schuhe aus und sah mir meinen dicken Knöchel an. Ich hätte ihn gerne gekühlt, aber Wasser war zu kostbar. Ich legte mich hin und versuchte nicht an den Schmerz oder an Amos zu denken. Stattdessen wollte ich zu Hannah reisen, doch noch bevor ich einen Fuß auf die Insel des Spiegelmeisters setzen konnte, hörten wir über uns Schritte.
    Sofort verstummte jeder in dem Bunker. Die meisten hielten gar den Atem an, einige murmelten leise Gebete. Kämpfer griffen zu ihren Waffen.
    Und dann begann das Hämmern.
    Schwere Werkzeuge versuchten sich durch die Trümmer zu bohren. Wussten die Deutschen, dass wir hier waren? Oder bohrten sie auf gut Glück?
    Für eine schreckliche Sekunde hatte ich Angst, dass sie Amos gefasst hatten und er so lange gefoltert worden war, bis er unser Versteck verraten hatte. Schuld bis an das Lebensende. Staub rieselte auf uns herab.
    Nach einer Unendlichkeit der Angst hörte das Hämmern

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