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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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mir die Wunde am Arm zugezogen hatte. Mama und sie sollten nun mal nicht erfahren, wie dumm ich mich wegen Amos angestellt hatte.
    Hannah nutzte meine Schwäche: «Merk dir das, Mira: Du bist nicht meine Mama! Also führ dich nicht wie eine auf!» Und rülpste erneut.
    Was für ein Biest, dachte ich, während ich mit einer neuen Welle der Übelkeit kämpfte.
    Den Rest des Abends schwiegen wir uns an. Und anstatt uns allen eine Gutenachtgeschichte zu erzählen, murmelte sie Hannah nur leise vor sich hin. Es ging um zwei Ghettokinder. Einen Jungen und ein Mädchen. Der Junge hatte rote Haare, und das Mädchen ärgerte sich sehr darüber, dass niemand erkennen wollte, wie erwachsen es eigentlich schon war.
    Es war wirklich nicht schwer zu erraten, wer diese Ghettokinder sein sollten.
    Die beiden Kinder, so erzählte Hannah sich selber weiter, küssten sich wirklich sehr, sehr gerne.
    Es war ganz und gar nicht schwer zu erraten.
    Die Kinder mussten ihre Liebe aber vor einer bösen Gouvernante verstecken.
    Und wer diese böse Gouvernante sein sollte, konnte ich mir auch denken.
    Jedenfalls, so Hannah, sahen diese beiden Ghettokinder beim Gang über den Bücherflohmarkt ein Buch mit einem wunderschönen roten Ledereinband. Auf diesem Einband stand in grünen Buchstaben geschrieben: «Die 777  Inseln». Mehr nicht. Das war’s. Kein Autorenname. Kein Verlag. Kein gar nichts. Die Kinder namens Ben und Hannah waren von diesem fremdartigen Buch sofort fasziniert. Doch da der Händler, ein Mann mit Holzbein, verlangte, dass sie für das Buch ein Jahr als seine Sklaven arbeiten mussten, beschlossen die Kinder, es einfach zu stehlen. Sie rannten mit dem Buch davon und dachten, der Einbeinige könnte ihnen gar nicht folgen. Der war jedoch überraschend flink mit seinem Holzbein, als stammte er nicht aus dieser Welt. Der Händler drohte den Kindern mit Tod, Verderben und Verdammnis, wenn sie ihm das Buch nicht wiedergaben. Sie würden von dem Buch verschlungen werden und in eine Hölle ohne Wiederkehr geraten. Ja, genau das drohte er ihnen an: eine Hölle ohne Wiederkehr!
    Selbstverständlich glaubten die beiden dem Händler kein Wort und rannten weiter. Sie hatten Angst davor, dass er sie schlagen oder gar mit seinem Holzbein treten würde, falls er sie erwischte. Sie liefen in einen Hinterhof, sahen Mülltonnen, überlegten kurz, stellten fest, dass sie keine andere Wahl hatten, und sprangen in die Tonnen hinein, um sich zu verstecken. Sie verharrten so lange darin, bis der Einbeinige schließlich aufgab und wegging. Dabei murmelte er vor sich hin: «Der Spiegelmeister wird euch vernichten. Der Spiegelmeister wird euch vernichten …»
    Als die Luft rein war, krabbelten die Kinder aus den Mülltonnen und betrachteten fasziniert das Buch. Es war eine Art Reiseführer. Nur eben zu einer Welt, die es nicht gab.
    777 magische Inseln waren in diesem Buch beschrieben, 777  Inseln voller Wunder. Voller Gefahren. Voller Schrecken.
    Eine wurde zum Beispiel von fleischfressenden Bäumen bevölkert, eine andere von Riesen, die Gedichte ohne Vokale schrieben – Fff, grr, fff – und wiederum eine andere von den schrecklichen Scherenmännern, die jeden Reisenden, der sich auf ihre Insel verirrte, einfach aus dem Leben ausschnitten und wie ein Bild mit Stecknadeln in ein riesengroßes Album hefteten.
    Die Kinder blätterten in dem Buch, bis es plötzlich zu glühen begann. Ein rotes Licht umhüllte die beiden, und mit einem Mal befanden sie sich nicht mehr im Ghetto, sondern an Bord eines riesengroßen Dreimasters, der auf einem unendlichen Meer im warmen Sonnenschein dahinsegelte. Die Meeresbrise wölbte die Segel, die Luft war wundervoll klar.
    Hannah und Ben waren nicht so dumm wie die Kinder in anderen Geschichten und begriffen sofort, dass sie in die Welt der 777  Inseln transportiert worden waren. Und sie jubelten, sie jubelten sehr. Sie ahnten zwar, dass diese Welt hier gefährlich sein würde – wie gesagt, sie waren ja nicht dumm –, aber sie waren nicht mehr im Ghetto!
    In diesem Augenblick hörten sie hinter sich eine Stimme: «Was macht ihr blinden Passagiere auf meinem Schiff?»
    Sie drehten sich um: Da stand ein kleiner süßer Hase. Mit Augenklappe im Gesicht, einem großen breiten Hut auf dem Kopf und einem Fernrohr in der Hand.
    «Ich bin Kapitän Karotte!», verkündete der kleine Kapitänshase.
    Die Kinder hatten Schwierigkeiten, bei einem solchen Namen nicht loszukichern. Und deswegen taten sie es.
    Kapitän

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