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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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verscharren, die Sachen der Toten sortieren … aber für Frauen gibt es nur eine Arbeit. Für die schönen Frauen wie mich.»
    Sie war immer so stolz auf ihre Schönheit gewesen, von diesem Stolz war jetzt rein gar nichts mehr übrig.
    «Wir waren den SS -Leuten zu Diensten.»
    Das nannte sie Glück.
    Ich wäre lieber in diese Gaskammern gegangen, als den Bestien meinen Körper zu überlassen. Andererseits: Das dachte ich jetzt und hier. Aber wer wusste schon, wie ich im Angesicht der Leichenberge gedacht hätte? Vielleicht wäre ich dann auf jemanden wie Ruth, die noch als Hure weiterleben durfte, sogar neidisch gewesen.
    «Ich war für drei Tage der Favorit der Puppe», erzählte Ruth weiter.
    «Puppe?»
    «Ein SS -Mann. Er hatte ein so schönes Gesicht, deswegen haben die Juden ihm den Spitznamen Puppe gegeben. Jeden Tag erschoss die Puppe Juden zum Spaß. Oder er peitschte sie zu Tode.»
    Es war genug. Genug! Ich wollte nichts mehr von diesem Lager hören. Nur noch eins: «Wie bist du da weggekommen?»
    Für mich war es unvorstellbar, dass die SS jemanden aus der Hölle ließ.
    «Schmul hat dem Lagerkommandanten viel Geld für mich gezahlt. Sehr, sehr viel Geld.»
    Der Mafiaboss hatte sie da rausgeholt. Ich war überrascht, dass Ruth ihm so viel wert gewesen war.
    «Ich hab dir doch gesagt», lächelte sie schwach, «dass er mich liebt.»
    Und ich hatte ihr das nie wirklich geglaubt.
    «Aber warum bist du denn jetzt nicht bei Schmul?», fragte ich.
    «Er und fünf seiner Männer wurden ins Pawiak-Gefängnis gebracht.»
    Sie hustete wieder.
    Ich hoffte, dass uns dieses Husten nicht verraten und nach Treblinka bringen würde. Denn wegschicken, wegschicken könnte ich meine Freundin niemals.

26
    Ruth hockte von nun an tagsüber mit uns in der Speisekammer. Wie mussten noch mehr zusammenrücken, und meine angewinkelten Knie schmerzten bereits nach einer halben Stunde so stark, dass wir abends, wenn wir aus der Kammer kamen, erst mal nur auf allen vieren kriechen konnten.
    Ruth hustete immer wieder, und ich konnte sie einfach nicht davon abhalten. Egal ob ich sie lieb darum bat, eindringlich warnte oder anschrie, dass es uns das Leben kosten könnte, wenn sie nicht endlich damit aufhörte. Ja, ich verlor bei ihr die Nerven. Nicht nur, weil ich Angst hatte, sondern weil ich durch das Husten auch immer wieder daran erinnert wurde, wie dieses Ende aussehen würde: Peitschenhiebe, Hunde und zum Schluss die Gaskammer.
    Lulei, Lulei …
    Die Einzige von uns, die nicht langsam, aber sicher den Verstand verlor oder bereits verloren hatte, war Hannah. Sie erzählte immer weiter von den 777  Inseln. Natürlich nicht zehn Stunden am Stück. Doch immer mal wieder, mal eine halbe Stunde lang, mal nur fünf Minuten. Und wenn sie erzählte, verstummte sogar das Husten. Ruth lauschte gebannt, wie Hannah und Ben Rothaar dem Wetterzauberer den zweiten der drei magischen Spiegel abluchsten. Auch gegen ihn gewannen die Helden dank der Kraft ihrer Liebe. Egal welchen Regen, welchen Hagel oder welche Blitze der Wetterzauberer auch auf sie hinabregnen ließ, die Liebe war stärker als jeder Sturm.
    Bestimmt dachte Ruth, während sie das hörte, an ihren Schmul. Ich jedenfalls dachte an Daniel. Seine Liebe zu mir hatte ich durch meine Tat für immer ausgelöscht. Wo er jetzt wohl war? Ob er noch lebte?
    Er musste noch leben!
    Hannah und Ben erreichten auf ihrer Reise die Schalinsel, auf der alle Bewohner einen Schal tragen mussten und wo man gehängt wurde, wenn man keinen trug. Bei dieser Erzählung musste Ruth sogar grinsen, denn Ben Rothaar, der keinen Schal besaß, sagte mulmig berührt: «Auf dieser Insel bekomm ich ein schales Gefühl.»
    Auch ich konnte das erste Mal seit langem laut lachen. Und in diesem fröhlichen Augenblick war es mir völlig egal, ob SS -Leute mein Lachen hören würden.

27
    Wie versprochen kam Simon jeden Abend zu uns. Und jedes Mal hatte ich Angst davor, dass der Tag gekommen war, an dem er seine Quote an Juden nicht erfüllt hatte und uns deswegen verriet.
    Wie das wohl ablaufen würde? Vermutlich würde er uns gar nicht selbst aus dem Haus treiben, sondern nur den Soldaten den Tipp geben, wo sie uns finden konnten. So musste er uns nicht in die Augen blicken, wenn sie uns holten, und wir würden nie ganz sicher sein, ob er es gewesen war, der uns verraten hatte.
    Doch Simon fand jeden Tag andere Juden, die er nach Treblinka schicken konnte. So gingen statt uns andere ins Gas.
    Lulei, Lulei …
    Wie

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