280 - Der Untergang Washingtons
hatte ein Geräusch herangetragen, das nicht zu den vertrauten Dschungellauten zählte. Es wurde vom Geruch des Todes begleitet. Das bedeutete Nahrung und war interessant.
Der Gollok warf einen schnellen Blick zurück. Noch war niemand aus seinem Rudel auf die neue Futterquelle aufmerksam geworden; er würde sie also für sich allein haben, ohne Streit um das beste Fleisch.
Hastig glitt er hinunter zwischen die Wracks und lief los. Wetterleuchten erhellte seinen Weg. Trotzdem wäre das Ziel ohne seinen scharfen Geruchssinn kaum zu finden gewesen. Man musste schon sehr genau hinsehen, um es zu entdecken: ein abgestürzter Gleiter, das Heck steil nach oben, die Flügel gebrochen, der Rumpf zerknittert und regelrecht aufgeplatzt. Mit ihm türmten sich einzelne Wrackteile zu einem Hügel auf, der sich nur durch ein eher unauffälliges Merkmal von seinen vielen Nachbarn unterschied.
Er war höher als sie.
Begraben unter dem Gleiter und den Trümmern lag eine weitere Maschine. Die letzten Metallverstrebungen, die den Mannschaftsraum noch hielten, ächzten und knackten unablässig unter dem Gewicht, das auf ihnen lastete. Nicht alle Soldaten an Bord waren tot, und der Gollok schnaubte unwillig, als er sich ins Innere gezwängt hatte und die schwer verletzten Männer stöhnen hörte. Er war zu klein, um es mit Lebenden aufzunehmen.
So versuchte er sein Glück am Bug. Unvorstellbare Gewalten hatten die Nase des Gleiters umschlungen und sie unmittelbar vor dem Cockpit abgerissen. Die beiden Pilotensessel standen im Freien, unter dem Dach der Maschine, mit Blick auf den Tod und die Zerstörung ringsum. Ein Platz dieser makabren Loge war besetzt, doch für den Gollok war die Gestalt darin nicht interessant. Kein totes Fleisch, in das er seine Zähne schlagen konnte. Etwas, das streng und künstlich roch. Obwohl die Hand, die reglos herunterhing, fünf Finger hatte wie die der restlichen Leichen.
Neugierig schob der Aasfresser den Kopf näher heran, um sie zu beschnüffeln… als einer der vermeintlichen Finger plötzlich wegruckte.
»Aik!«, machte der Gollok erschrocken, schnellte herum und floh.
Miki Takeo fand nur mühsam ins Bewusstsein zurück, und das lag nicht an den äußeren Verletzungen. Der klaffende Riss in seinem Plysteroxarm, das nach vorn geknickte Bein, die tiefen Schnitte und Dellen, all das würde sich reparieren lassen.
Was den Android an den Rand der Handlungsunfähigkeit brachte, waren die Schäden in seinem Inneren. Etliche Schaltkreise waren ausgefallen, der Gedächtnisspeicher machte Schwierigkeiten bei der Datenwiedergabe, der Bewegungsapparat funktionierte nur eingeschränkt.
Miki versuchte sich zu orientieren. Herauszufinden, wo er war, warum er dort war und wie er sich aus der Situation befreien könnte. Sein rechtes Auge war noch einsatzbereit, wenn auch ohne die hilfreichen Umschaltoptionen Restlichtverstärker und Wärmebild . Mit dem linken hingegen konnte er nur nach vorn sehen: Es klemmte fest. Schuld daran war die tiefe Kerbe in Takeos Schläfe. Beim Aufprall des Gleiters war er mit voller Wucht an eine Kante der Schaltkonsole geknallt.
Als sein integriertes Reparaturprogramm anlief, erwachten erste Erinnerungen - allen voran an den Piloten, der beim Absturz neben ihm gesessen hatte. Es war zu dunkel, um visuellen Kontakt herzustellen, aber Miki musste wissen, wie es ihm ging, und so versuchte er ihn anzusprechen.
»Äppn-uuts?« Er hob den lädierten Arm und schlug sich seitlich an den Kopf. Etwas rastete ein. »Captain Roots?«
Doch der Captain antwortete nicht. Mühsam zwängte sich der Android herum, tastete nach dem Pilotensessel. Niemand saß mehr darauf.
Takeo war enttäuscht, wusste nicht recht, was er tun sollte. Doch mit fortschreitendem Reparaturstatus kehrte ein Teil seiner Leistungsfähigkeit zurück und ihm wurde bewusst, dass Roots nicht der Mann war, der andere im Stich ließ. Er befand sich also wahrscheinlich im hinteren Teil der Maschine, um den Verletzten zu helfen, deren Schmerzenslaute das Cockpit erreichten.
Trotz der eigenen Beschädigungen wollte auch Takeo Hilfe leisten. Er versuchte sich aus dem Sitz hochzustemmen. Seine Gelenkmotoren protestierten.
Jäh hielt er inne.
Über ihm knisterte etwas. Dinge fielen herab, dem Klang nach aus Metall. Takeo wusste nicht, dass über seinem Gleiter eine zweite Maschine lag, deren Druck allmählich die Belastbarkeit der unteren Hülle überstieg. Aber er hatte genug Erfahrung, um das Knacken und Knistern zu
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