Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
281 - Bausteine des Lebens

281 - Bausteine des Lebens

Titel: 281 - Bausteine des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Vennemann
Vom Netzwerk:
Zuvor hatte man Ruuks Dorf überprüft - dort hielt sich niemand mehr auf. Die gesamte Dorfgemeinschaft, die sich nach dem Tod des Hüters auffällig ruhig verhalten hatte, war aus den Behausungen ausgezogen und hatte alles zurückgelassen, was zum Überleben nicht unbedingt notwendig war.
    Der Spähtrupp blieb fast eine ganze Woche weg. Niemand rechnete noch damit, dass die vier Männer wieder zurückkehren würden. Gewiss waren sie entdeckt und vom gegnerischen Clan niedergemacht worden. Und wenn nicht, dann hatte sie wahrscheinlich der Schwarze Tod, der hinter der Grenze lauerte, auf dem Gewissen.
    Man plante schon, eine Totenfeier für den Spähtrupp auf dem Dorfplatz abzuhalten, als von den Wachtürmen aufgeregte Rufe erklangen. Die Männer kehrten zurück! Sie waren gesund und unverletzt und erzählten eine unglaubliche Geschichte.
    Die Grenze existierte nicht mehr!
    Wie auch immer Ruuk es herausgefunden oder bewerkstelligt hatte - der Schwarze Tod hatte seinen Schrecken verloren! Zunächst war der Spähtrupp am Rande des »Verbotenen Landes« geblieben und hatte Ruuks Clan von einer Anhöhe aus solange mit Blicken verfolgt, bis er am Horizont verschwand. Dass dies überhaupt möglich war, ohne dass der Clan jenseits der Grenze sein Leben aushauchte, machte die Männer neugierig - und mutig.
    Sie wagten den Vorstoß in Gefilde, die sie seit über dreihundert Jahren nicht mehr betreten hatten. Und… es geschah ihnen nichts!
    Sie verfolgten Ruuk bis an die Küste Skothlands, wo sich die Dorfgemeinschaft provisorisch niederließ und damit begann, Schiffe zu bauen. Offenbar wollten sie zur Nachbarinsel Britanas übersetzen und dort ein neues Leben ohne die direkte Nachbarschaft des Teggar-Clans zu beginnen.
    Die Nachricht schlug unter den Dörflern ein wie ein Katapultgeschoss. Sie waren frei! Der Hüter hatte ihnen zwar die Unsterblichkeit genommen, dafür aber die Freiheit geschenkt!
    Chiiftan Teggar musste traurig mit ansehen, wie etwa die Hälfte seiner Leute in den nächsten Tagen dem Beispiel Ruuks folgte. Er hatte es ihnen freigestellt zu gehen, denn er verstand ihre Sehnsucht, die neu gewonnene Freiheit auskosten zu wollen. Sie wollten mehr von der Welt sehen.
    Auch Mecloot war unter denjenigen, die in die Ferne aufbrachen. Aber sein Freund versprach ihm, nur wenige Monde fortzubleiben und lediglich mit seinem Weib und seinen zwei Söhnen einmal Britana bis zur Südküste zu bereisen. Danach würden sie in das Dorf, das ihre Heimat war, zurückkehren, um dort zusammen alt zu werden.
    Gerade in der Tatsache, dass die ehemals Unsterblichen jetzt wieder normal alterten, sahen viele Dorfbewohner auch so etwas wie die allerletzte Chance auf einen Neubeginn. Sie wollten ihr Leben nicht hier, wo sie so lange verweilen mussten, beschließen.
    Alle, die gehen wollten, hatten das Dorf nach zwei Wochen verlassen. Es war stiller geworden in dem Ort. Chiiftan Teggar blickte von einem der Wachtürme hinunter auf das Dorf. Die Hälfte der sonst qualmenden Schornsteine und Essen der Hütten und Häuser waren jetzt kalt und spuckten keinen Rauch mehr aus. Auf den Dächern der verlassenen Wohnstätten sammelte sich der Schnee, der nun, da das Innere nicht mehr beheizt wurde, nicht mehr schmolz.
    Rund zwei Dutzend Menschen waren im Dorf geblieben, die Hälfte ihrer ehemaligen Gemeinschaft. Sie sahen die neue Situation ähnlich wie Teggar: Sie hatten hier alles, was sie brauchten, und wollten nicht weg. Die Gemeinschaft der Kinder des Hüters war ihre Familie, und wo sich ihr ehemaliger Beschützer befand, da wollten auch sie sein.
    Teggars Blick fiel auf das Skelett an seinem Pfahl. Blass und kahl verschwand es von hier oben gesehen fast vor dem Hintergrund des ebenso bleichen Schnees.
    »Dein Verhalten ist seltsam, Hüter«, murmelte er. »Erst tut sich Jahrhunderte lang gar nichts, und dann, mit deinem Tod, ändern sich die Dinge ständig. Sag, Bewahrer, wird das irgendwann wieder ein Ende haben?«
    Es sollte. Und es würde nicht mehr allzu lange dauern…
    ***
    Juli 2523
    Ein Schrei zerriss die nächtliche Stille über dem Dorf am See. Er war langgezogen und klagend und ließ keinen Zweifel daran, dass sich derjenige, der ihn ausgestoßen hatte, in höchster Gefahr befand.
    Teggar schreckte aus dem Schlaf hoch, blinzelte verwirrt und griff nach seinem Schwert, das wie immer neben ihm bereit lag. Er rechnete mit dem Schlimmsten: Dass Ruuk und seine Leute zurückgekehrt waren und nun über sie herfielen, jetzt, da alle in

Weitere Kostenlose Bücher