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285 - Am Nabel der Welt

285 - Am Nabel der Welt

Titel: 285 - Am Nabel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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ihr anlangte. Der Schein seiner Lampe verhinderte, dass ihm die seltsamen Lichteffekte sofort auffielen, die hinter Victoria Windsor waberten.
    Er trat hinter sie und tippte auf die Schulter.
    »Lady!«
    Sie reagierte immer noch nicht. Starr und steif und von etwas ergriffen, das sie zum Erzittern brachte, stand sie wie angewurzelt da und starrte hinunter auf die andere Seite, wo sich ein Tal erstreckte, eine Senke, in der -
    Matts Gehör empfing erst jetzt die fernen Geräusche, die von dort unten ebenso zu ihnen heraufdrangen wie die Lichter einer ganzen Reihe von Scheinwerfern.
    Plötzlich verstand er Lady Victorias Verhalten. Sie war von dem Anblick fasziniert und paralysiert in einem. Und nicht viel besser erging es Matthew Drax, in dessen Bewusstsein gerade die Erkenntnis sickerte, dass sie die gestrandeten Marsianer gefunden hatten.
    Nein , korrigierte er sich dann aber mit deutlich mehr Zurückhaltung. Bislang haben wir nur gefunden, was von der CARTER IV recycelt wurde. Denn typisch marsianisch wirkten die emsigen Gestalten von hier oben betrachtet nicht.
    »Woher hast du es gewusst?«, wandte er sich an die immer noch völlig weggetretene Victoria Windsor.
    Vielleicht nahm sie Matthew Drax erst in diesem Augenblick wirklich wahr. »Gewusst?«, echote sie.
    »Dass sie hier sind.«
    Sie schien zu überlegen, was sie darauf antworten könnte. Sie erweckte den Eindruck, als würden Matts Worte zwar zu ihr durchdringen, aber als hätte ihr Gehirn augenblicklich andere Prioritäten zu meistern.
    Matt blickte an der Ex-Queen vorbei in die Tiefe. Selbst der Nebel schien die andere Seite zu meiden. Nur vereinzelte dünne Schwaden hingen über dem atemberaubenden Szenario einer gewaltigen, allseits geschlossenen Hallenkonstruktion, an der mit Hochtouren geschuftet wurde. Die Kälte und Dunkelheit bremsten die Arbeiten nicht aus. Offenbar hatten sogar Stromaggregate aus der CARTER IV gerettet werden können; woher sonst sollte die flutlichtartige Illuminierung rühren?
    Endlich schien sich Lady Victoria ein Herz zu fassen. Sie holte tief Atem, um eine Antwort zu geben. Bevor sie aber das erste Wort gesprochen hatte, wurden hinter ihnen Rufe laut. Er glaubte Aruulas Stimme zu erkennen, obwohl die Entfernung zu groß war, um sich sicher zu sein.
    Ohne lange zu überlegen, packte er Victoria Windsor am Arm und zog sie mit sich. Sie verfiel widerstrebend in Laufschritt.
    Während des ganzen Weges grübelte Matt über zwei Fragen: Was war mit Victoria und ihrem seltsamen Verhalten in dieser Nacht? Und was mochte seine Gefährten veranlassen, lautstark nach ihm zu rufen? Schließlich konnten sie die Lady schwerlich gefunden haben.
    Der Grund für Aruulas und Xijs abwechselnde Schreie wurde ihm erst klar, als er mit Victoria den Schein der Feuerstelle erreichte.
    Die Gestalten, die den beiden Frauen gegenüberstanden, flößten ihm kein allzu großes Vertrauen ein. Andererseits hätten sie es schlimmer treffen können. Denn Retrologen - und um solche handelte es sich zweifellos - waren nicht dafür bekannt, blutige Massaker zu veranstalten und aus den Schädeln ihrer Opfer zu trinken.
    ***
    Retrologen waren dafür bekannt, durch die Lande zu ziehen, um sich Artefakte aus einer Zeit anzueignen, die Matt noch selbst erlebt hatte - bevor ihn besondere Umstände in die Zukunft geschleudert hatten. Er hatte bislang aber nicht gewusst, dass sie auch in Gruppen auftraten; bislang war er nur Einzelgängern begegnet, die sich oft als hilfreich erwiesen hatten.
    »Was geht hier vor?«, wandte sich Maddrax an Aruula. Erst jetzt ließ er Victorias Arm los.
    Bevor sie auf die Frage antwortete, nickte sie anerkennend. »Du hast sie gefunden. Wo war sie?«
    »Am Ziel«, sagte Matt, ohne seine Wortwahl zu erläutern. »Darüber reden wir später. Erst kannst du mir unsere… Gäste vorstellten. Das sind sie doch: Gäste. Oder?«
    »Wir kommen in friedlicher Absicht«, erklärte statt Aruula einer der insgesamt drei Männer. Er war nicht der Größte der Gruppe, aber sein Auftreten verriet, dass er es gewohnt war, Befehle zu erteilen statt zu befolgen. »Ich heiße Willard. Das da sind Stör und Franklin.«
    »Ihr seid Retrologen. Jäger der verlorenen Schätze «, sagte Matthew.
    Der Mann namens Stör lachte heiser auf. Willards Miene blieb unbewegt. »Viele schimpfen uns Räuber und skrupellos«, sagte er, »wenn es darum geht, die Hinterlassenschaften der Alten zu bergen. Aber das sind Vorurteile. Die meisten von uns sind anständige

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